Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
Verkäufer meine Vermutung. Ich kaufte beide Platten.
    Zu Hause legte ich zuerst die Percolators auf. Zu meiner Überraschung waren sie gut. Danach hörte ich die Tearjerkers. Sie waren noch besser.
    Ich versuchte, Lydias Gitarre herauszuhören und mich nur darauf zu konzentrieren, aber es klappte nicht. Ich studierte das Cover, während die Platte noch einmal lief.
Cut to the Bone.
    Aufgenommen in den Skylight Studios, Oakland. Mischung und Tontechnik: Kristie Sparkle. Lydia Nunez: Gitarre. Nancy Garcia: Bass. Elia Grande: Drums. Mit besonderem Dank an: Delia Shute.
     
    Ich googelte Nancy Garcia. Sie war tot. Krebs, Familie, viel zu jung usw. Elia Grande lebte in einer Kommune in Minnesota. Möglicherweise würde eine E-Mail sie erreichen. Kristie Sparkle züchtete Kräuter im Marin County.
    An Delia Shute heranzukommen war gar nicht so einfach. Ihre Arbeiten zu finden war dagegen ein Kinderspiel. Sie fotografierte große Momente der Menschheitsgeschichte, die sie mit Barbiepuppen nachstellte. Im Telefonbuch stand sie nicht. Ihre Galerie weigerte sich, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, genauso wenig fiel man dort auf meinen brillanten Trick herein, im Namen der Familie anzurufen und einen medizinischen Notfall zu beklagen, bei dem Delias grönländische Cousine …
    »Wir haben keine Möglichkeit, Kontakt zu ihr aufzunehmen«, unterbrach mich die Galeristin schroff. »Wir sind absolut nicht und unter keinen Umständen in der Lage, Nachrichten für sie entgegenzunehmen. Es tut mir sehr leid, aber wir können Ihnen nicht helfen. Kein bisschen.«
    Es ist einfach, Unternehmen zu finden, die sich nichts aus ihren Kunden machen. Delia Shutes Bank reagierte ziemlich gut, und auch ihre Versicherung zeigte sich überraschend zugeknöpft; nur ihrem Handyprovider war sie scheißegal. Es gibt einen bestimmten Tonfall, den junge Menschen aus dem Kino kennen und auf Anhieb als »amtlich« einstufen. Sie fallen drauf rein wie Frank Sinatra auf Ava Gardner
. Ich habe einen Durchsuchungsbeschluss. Nationale Sicherheit. Aktenzeichen (geschwärzt).
Ich bellte ein paar Kommandos und bediente ein paar Klischees, und schon bekam ich ihre Anschrift und Telefonnummer.
    An einem nebligen Nachmittag drückte ich auf Delia Shutes Klingel. Tagsüber war in ihrer Straße nicht viel los. An der Ecke gab es eine Bar, das Manhole, vor der es am Wochenende wahrscheinlich sehr laut wurde.
    Delia öffnete die Tür und musterte mich. Sie war um die vierzig, dünn und auffällig tätowiert, nämlich in mehreren Schichten. Das Muster an ihrem Unterarm schien ein älteres zu überdecken, doch ich konnte das Originalbild nicht erkennen, ohne unverhohlen zu glotzen. Es war kalt, und sie trug eine schwarze Yogahose unter einem altmodischen, roten Hausmantel mit einem nautischen Muster aus Tauen und Ankern.
    »Ich dachte, du wärst der UPS -Bote«, sagte sie ein bisschen verwirrt, so als könne sie nicht fassen, dass ich jemand anders war.
    »Nein«, sagte ich. »Mein Name ist Claire DeWitt. Ich bin Privatdetektivin.«
    Alle Menschen sind neugierig. Delia zog eine Augenbraue hoch.
    »Ich untersuche den Mord an Paul Casablancas«, sagte ich, und egal, wie oft ich es aussprach, es fühlte sich immer noch unwirklich an. Ich wehrte mich dagegen. »Wie ich hörte, warst du früher mit Lydia Nunez bekannt.«
    Sie nickte. »Das stimmt.«
    Wir stiegen eine breite Schiefertreppe in ihr Loft im dritten Stock hinauf. Sie bewohnte fast eine komplette Etage einer ehemaligen Fabrik. Ich vermutete, dass sie die Immobilie in jungen Jahren gekauft hatte, zum Schnäppchenpreis, und genau so war es. Ich hatte sie bei der Arbeit gestört, diesmal stellten die Puppen eine Szene aus der russischen Revolution nach. Die Barbies waren, das musste ich zugeben, wirklich beeindruckend.
    Sie zeigte mir die Revolutionsszene und eine zweite, mit der sie eben erst angefangen hatte und die im Luna Park in Brooklyn spielte. Wir plauderten kurz über Coney Island und seine Geschichte – Hottentotten, sozialer Wohnungsbau, Elefanten, Tätowierungen.
    »Dann bist du eine Freundin von Lydia?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte ich, »und von Paul. Genau genommen habe ich die beiden einander vorgestellt.«
    »Verdammt schrecklich«, sagte sie kopfschüttelnd. »Paul war ein Genie. Ein feiner Kerl. Einmal hat er mich aus El Cerittio abgeholt, als ich eine Autopanne hatte. Dabei kannte er mich kaum. Ich war damals mit Beth, einer Freundin von ihm, zusammen. Zehn Jahre später haben wir dann

Weitere Kostenlose Bücher