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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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auch.
    »Immer schon?«, fragte ich.
    »O Gott, nein!«, sagte Josh. »Nein, erst im letzten Jahr. Und ich bin mir sicher, dass es beide Male nichts Ernstes war, bloß … Du weißt schon.«
    »Bloß was?«
    Er seufzte. »Du weißt schon. Er und Lydia haben sich ständig gestritten.«
    Das wusste ich nicht.
    »Ging es um etwas Bestimmtes?«, fragte ich. »Oder hatten sie einfach nur Streit?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, der Auslöser war was Konkretes, aber später ging es nur mehr ums Streiten.«
    »Kanntest du eine der Frauen?«
    »O Mann, du kannst sie nicht einfach anrufen und ausfragen! Ich kenne sie seit ewigen Zeiten, sie ist eine gute, alte Freundin von mir.«
    »Kein Verhör«, sagte ich, »versprochen. Wir gehen einfach nett Kaffee trinken, zu dritt. Du musst mir nicht einmal ihren Namen verraten.«
    »Wirst du Lydia davon erzählen?«, fragte er.
    »Selbstverständlich nicht«, sagte ich.
    Vermutlich wusste sie es längst.
     
    In der Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich fuhr nach Tenderloin und kaufte einer Frau namens Rhonda ein bisschen Kokain ab. Ich musste lange nach ihr suchen. Es ging ihr nicht so gut. Sie war high und stakste auf hohen Absätzen durch den Regen.
    »Mädchen wie wir haben es schwer«, jammerte sie. Wir standen im Regen. Der Handel war abgeschlossen, aber aus so einer Situation kann man sich nicht einfach ausklinken; man muss darauf warten, entlassen zu werden. So funktioniert das beim Drogenkauf. »Heutzutage haben die Leute einfach keine Gefühle mehr. Keiner kennt sich damit aus. Es ist ihnen egal. Heutzutage macht man
Erfahrungen.
Alles ist nur eine weitere
Erfahrung.
Sie tun dies und das, ohne je etwas dabei zu fühlen. Es perlt einfach von ihnen ab. Als wären sie Gespenster. Wir sind alle Gespenster.«
    »Ja, das sind sie«, pflichtete ich Rhonda bei. »Das sind wir.«
    »Du bist nicht so wie die anderen«, sagte Rhonda, »wie diese gefühlstauben Mädchen. Dir geht alles bis ins Mark. Du fühlst alles, so wie ich.«

[home]
    34
    Z weiundsechzig Tage nach Pauls Tod fuhr ich rauf nach Sonoma, um nach den Miniaturpferden zu sehen und Lydia in Pauls Haus am Bohemian Highway, das inzwischen ihr Haus war, zu besuchen.
    Das östliche Sonoma County ist berühmt für seinen Wein. Der westliche Teil des County ist kein bisschen berühmt. Er ist allenfalls bekannt für seinen Nebel, für die Mammutbäume, für den breiten Russian River und den Bohemian Grove, ein riesiges Gelände, das sich im Besitz des Bohemian Club befindet. Der Bohemian Club ist ein Männern vorbehaltener, ursprünglich in San Francisco gegründeter Privatclub für halbseidene beziehungsweise gutsituierte Künstler und Schriftsteller. Heutzutage rekrutierten sich die Mitglieder aus Präsidenten, Ex-Präsidenten und zweifelhaften Gestalten wie Henry Kissinger und Alan Greenspan, aus Männern also, die für sich in Anspruch nahmen, von Bedeutung zu sein, die ich aber einfach nicht so wichtig finden konnte. Sie kamen einmal jährlich für zwei Wochen im Bohemian Grove zusammen, wobei niemand genau wusste, wozu. Verschwörungstheoretiker behaupteten, dort würde Blut getrunken und dem Satan gehuldigt, zumindest fänden geheime Gespräche über die US -Notenbank und die künftige Steuerpolitik statt. Ihre Verteidiger hingegen waren der Ansicht, es handle sich lediglich um eine fröhliche Zusammenkunft eines besonders exklusiven Clubs. Die Bohemians selbst äußerten sich nicht.
    Pauls Haus stand am Rand des Clubgrundstücks am Ende einer langen Privatstraße und gehörte zu einer Ortschaft namens Occidental. Obwohl das Land rundum dem Bohemian Club gehörte, waren die eigentlichen Clubräumlichkeiten über fünfzehn Kilometer entfernt. Zwischen der Siedlung und dem Club gab es keine Straße, nur den dichten, uralten Wald aus Mammutbäumen.
    Als ich das Haus gefunden hatte, wurde es schon dunkel. Ich hatte den Nachmittag am Ort der Wunder verbracht. Über die Miniaturpferde gab es nichts Neues zu berichten. Jake hatte seine besten Leute – die möglicherweise kein anderer als seine »besten Leute« bezeichnet hätte, sei’s drum – auf den Fall angesetzt. Lydia erwartete mich auf der Veranda. Sie trug ein hübsches, weißes Kleid und hatte sich das lange, schwarze Haar frisch getönt. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und ihre Hände zitterten, aber sie sah besser aus, als ich erwartet hatte.
    Das Leben geht weiter. Nichts ist für die Ewigkeit.
    Es roch nach Mammutbäumen, ein holziger, grüner,

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