Das Ende der Welt
aus.
»Ich glaube, die Jungs sitzen noch drin«, sagte er.
Tracy rannte los, ich hinterher. Ich weiß nicht, woher wir es wussten, aber wir wussten es.
Chloe saß in diesem Van. Wir konnten sie weder sehen noch riechen oder fühlen; diese Sinne werden ohnehin überbewertet.
Ich wusste es, weil ich es in meinen Knochen spürte. Sie war mein Opfer, und ich war ihre Detektivin. Und wenn das Schicksal zwei Menschen zusammenführt, lässt sich die Bindung nicht ohne weiteres lösen.
Als wir an der Avenue B um die Ecke bogen, wurde der Motor angelassen. Als wir die Straße überquerten, setzte der Van sich in Bewegung. Wir würden ihn nie im Leben einholen, aber ich rannte trotzdem weiter. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen.
CC saß am Steuer. Chloe saß auf dem Beifahrersitz.
Es dauerte kürzer als eine Sekunde. Unsere Blicke trafen sich, und ein Gefühl huschte über ihr Gesicht – Angst, Sehnsucht, Verwirrung.
CC beugte sich herüber und zog sie vom Fenster weg.
Der Van bog um die Ecke und war verschwunden. Einfach weg.
Tracy stand auf der anderen Straßenseite. Ich trabte hinüber.
»Ich habe sie gesehen.«
»Ich weiß. Ich auch.«
Fabian holte uns ein.
»Was ist passiert?«, fragte er verwirrt.
Tracy verdrehte die Augen. Dann wandte sie sich zu ihm um, lächelte und wurde wieder hübsch.
»O mein Gott!«, sagte sie. » CC ! Ich kann nicht glauben, dass ich ihn verpasst habe. Wo geht er nach dem Auftritt hin? Ich meine, geht er was trinken oder so?«
»Keine Ahnung«, sagte Fabian, »aber manchmal geht er ins Hell.«
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41
San Francisco
A m Mittwoch um sechzehn Uhr traf ich Josh und die Unbekannte, Pauls Freundin, in einem Coffee Shop in Oakland. Die Frau und Josh waren schon da, als ich ankam. Es war nicht das Mädchen aus der Swiss Music Hall, das Mädchen im weißen Kleid. Es war eine Frau, die ich kannte. Sie hieß Sheila und wohnte in Berkeley. Sie besaß eine Bar an der San Pablo Avenue, in der, darauf hätte ich meinen Kopf verwettet, auch Pauls Band schon aufgetreten war. Ich war nüchtern und putzmunter nach drei Tassen Tee und einem ordentlichen Frühstück. Ich wollte ein neues Kapitel aufschlagen, mich zusammenreißen und den Fall lösen. Ab sofort.
Sheila sah Josh an, verdrehte die Augen und murmelte: »Du hast mir nicht gesagt, dass es um Claire geht.«
»Ich wusste nicht, dass du sie kennst!«, rief Josh.
»Die einzige verdammte Detektivin, die ich kenne«, sagte Sheila. »Das hättest du ruhig erwähnen können.«
»Dass du eine Detektivin kennst«, gab Josh zurück, »hättest du erwähnen können!«
Ich setzte mich. »Es könnte schlimmer sein«, sagte ich. »Ob ihr es glaubt oder nicht, es gibt Leute, die sind noch schlimmer als ich.«
»Darum geht es nicht«, sagte Sheila schnell. »Es ist mir nur so peinlich. Ich dachte, das Ganze wäre irgendwie anonym.«
»Ich werde niemandem etwas erzählen«, sagte ich, »es sei denn, der Fall hängt davon ab. Dann geht es leider nicht anders. Okay?«
»Du wirst seiner Frau nichts erzählen?«, fragte Sheila. Sie sah zerknirscht aus, als sei ihr bewusst, dass sie einen Fehler begangen hatte.
»Nein«, sagte ich. »Nur, wenn es absolut sein muss. Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber, dass es wichtiger ist, den Mord an Paul aufzuklären, als dir einen peinlichen Moment zu ersparen. Also, schieß los.«
Sheila zierte sich nicht länger und schoss los.
»Mein Gott, es ist mir ja so peinlich«, sagte sie noch einmal. »Ich habe ihn in der Bar kennengelernt. Ich wusste, dass er verheiratet ist. Ich kannte Lydia nicht persönlich, aber ich wusste, wer sie war. Wir haben ein bisschen geflirtet, aber das war wirklich ganz harmlos. Na ja, zumindest hat es harmlos angefangen. Er ist gegangen, und das war’s. Aber dann bin ich ihm zufälligerweise ein paar Tage später über den Weg gelaufen. Bei Moe’s. Im Buchladen.«
»Was hat er gekauft?«, fragte ich.
Sie runzelte die Stirn und überlegte.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ist das wichtig?«
»Ja«, sagte ich, »alles ist wichtig. Das kann doch nicht so schwer sein.«
Sie nickte. Nicht so schwer.
»Ich habe ein Kochbuch und einen Fotoband gekauft.
Chez Panisse
und
Man Ray.
«
»Hast du mit ihm geschlafen?«
»Oh, nein«, verteidigte sie sich, »eine ganze Weile nicht. Wir sind aus dem Buchladen raus und ein bisschen durch Berkeley gelaufen. Er war unglaublich charmant. Er war so interessant, und er schien sich für mich zu interessieren, was ich so machte
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