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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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bestellten zwei Bier.
    »Also dann«, sagte Tracy, »sind wir wieder bei null.«
    »Im Grunde ja«, sagte ich.
    »Ganz und gar«, sagte Tracy.
    »Null.«
    »Weniger als null.«
    »Null minus null.«
    »Ich muss mal Pipi.«
    Während Tracy auf der Toilette verschwand, trank ich mein Bier. Als sie zurückkam, hielt sie einen Zettel in der Hand und grinste breit.
    »Was?«, fragte ich.
    Sie zeigte mir den Zettel. Es war ein Flyer.
    »Lag auf dem Boden«, erklärte sie.
    THE DELINQUENTS * THE MURDER VICTIMS
    JUNKIE WHORE * VANISHING CENTER
    TOMPKINS SQUARE PARK , FREITAG
    Es war Freitag. Das Konzert war heute.
    »Guck mal«, sagte sie, »wir haben CC gefunden.«
    Ich lächelte. »Wow«, sagte ich. »Wir sind wirklich die besten Detektivinnen der Welt, oder?«

[home]
    39
    San Francisco
    A m selben Abend besuchten Tabitha und ich den Fan Club. Sie holte mich von zu Hause ab, und zusammen fuhren wir nach Oakland. Tabitha trug ein bodenlanges Kleid aus den Siebzigern, dessen Saum voller Straßenschmutz war. Angeblich war sie Schriftstellerin, aber eigentlich schaute sie den ganzen Tag fern und nahm Drogen. Sie hatte ein paar Bücher geschrieben, die in manchen Seminaren Pflichtlektüre waren – ein Buch über den Film noir, eins über Genreliteratur – und mit deren Tantiemen sie sich über Wasser hielt. Offenbar bezog sie ständig Vorschüsse für neue Bücher, ohne je etwas zu schreiben. Vielleicht handelte es sich auch um den Vorschuss für ein einziges Buch, von dem sie seit Jahren lebte.
    Der Fan Club lag abseits von Oaklands Innenstadt in einem Viertel, wo kein Anwohner wegen Ruhestörung die Polizei rufen würde. Es handelte sich um eine typische Spielhölle, dunkel, mit schlechter Musik – in diesem Fall schlechter Hip-Hop und R & B – und voller Nachtschwärmer: Prostituierte, Kellnerinnen, Barmänner, Stripperinnen, Schichtarbeiter, Filmemacher. Es gab eine Bar und ein paar Spieltische für Poker, Roulette und Würfel. Das war’s.
    In der Damentoilette wurden die kühnsten Junkieträume wahr. Die Toiletten hatten echte Spülkästen mit soliden, weißen Deckeln, die abzuschnüffeln sich bestimmt gelohnt hätte. Die Waschbecken standen frei, aber ein auf Schulterhöhe angebrachtes Wandregal bot die perfekte Ablagefläche für Kokain, was auch die beiden Damen, die wir beim Eintreten überraschten, bemerkt hatten.
    Die beiden, eine Weiße und eine Schwarze, waren über dreißig und sahen wie normale, berufstätige Frauen aus. Vermutlich waren ihre Männer draußen oder, was wahrscheinlicher war, in der Herrentoilette. Die Frauen trugen High Heels, jede Menge Make-up und Frisuren, die viel Zeit und einen Haufen Geld gekostet haben mussten. Die Schwarze hatte einen vergoldeten Schneidezahn mit ausgestanztem, fünfzackigem Stern.
    Tabitha war nicht gerade schüchtern.
    »Von wem hast du das?«, fragte sie sofort. Sie meinte das Kokain, nicht den Zahn. »Meinst du, du könntest uns bekannt machen? Ist das von Albert? Ist er hier?«
    Ich hatte Tabitha nicht ohne Grund mitgenommen.
    Die weiße Frau reichte Tabitha einen zusammengerollten Zwanzigdollarschein. »Bitte«, sagte sie, »bedien dich.«
    Tabitha lächelte und folgte der Einladung. Sie gab das Dollarröhrchen an die Schwarze weiter, die es mir anbot. Ich griff zu.
    »O mein Gott«, sagte Tabitha, »das Zeug ist wirklich gut!«
    »Ihr kennt Albert?«, fragte die eine Frau.
    Tabitha nickte. »Aber das hier ist nicht von ihm«, sagte sie, »es ist viel zu gut.«
    »Ich kann ihn dir vorstellen«, sagte die andere Frau. Schwestern im Geiste. »Kennt ihr Julio?«
    »Aus San Mateo?«, sagte Tabitha. »Den gibt’s noch?«
    Sie plauderten über Kokain: Dealer, Nachtclubs, Qualitäten, Verschnitte. Dann lenkte Tabitha das Gespräch auf unser Anliegen.
    »Eigentlich führt unsere Arbeit uns her«, sagte sie. »Wir sind Detektivinnen.« Das
wir
nahm ich ihr ein bisschen übel. »Keine Polizistinnen. Privatdetektivinnen. Meine Freundin hier ermittelt in einem Mordfall.«
    Die Frauen rissen die Augen auf.
    »So wie bei
Forty-eight Hours Mystery
?«, fragte die Weiße.
    »Ja, genau so«, sagte ich und versuchte, seriös und ernst zu klingen wie eine Fernsehreporterin.
    »Oder wie in dieser anderen Sendung«, sagte die schwarze Frau.
»The First Forty-eight.«
    Ich nickte und bemühte mich, wie die Moderatorin auszusehen, nicht wie die Täterin oder das Opfer oder die verstörte Zeugin, der man nur deswegen glaubt, weil sie zum Lügen zu dumm ist.
    »Du bist wirklich

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