Das Ende der Welt
Detektivin?«, fragte die Schwarze.
»Wirklich«, sagte ich. »Das ist mein Beruf.«
»Aber ist es nicht verboten, während der Ermittlungen Drogen zu nehmen?«, fragte die Weiße. »Sind die Ergebnisse dann nicht, na ja, unbrauchbar oder so?«
»Nun, in psychologischer Hinsicht vielleicht«, gab ich zu. »Das verkompliziert es manchmal. Aber rein juristisch betrachtet kann ich tun und lassen, was ich will. Ich arbeite ja nicht für die Staatsanwaltschaft.«
»Wow«, sagte die Weiße. »Und du ermittelst in einem Mordfall?«
»Und ob«, antwortete ich. »Ehrlich gesagt haben wir Grund zu der Annahme, dass das Opfer hier war …«
Das Opfer, das Opfer,
sagte ich mir,
niemand, den ich kannte, bloß ein Opfer.
Ich legte eine dramatische Pause ein: »Mit dem Mörder.«
Die Frauen zuckten vor Schreck zusammen. Dann kicherten sie.
»Schaut mal«, sagte ich und griff in meine Handtasche, »ich habe ein Foto dabei …«
Ich zeigte ihnen ein Bild von Paul, das ich in seinem Haus gefunden hatte. Er und Lydia standen irgendwo in Los Angeles auf der Straße und hielten Händchen, nähere Umstände unbekannt. Sie wirkten glücklich. Sie sahen aus wie zwei Verliebte, womöglich für immer.
»Oh«, sagte die Schwarze, »oh, oh, die kenne ich! Ich meine, die habe ich schon mal gesehen. Die Ärmste! Sie wurde ermordet?«
Etwas in mir geriet ins Schlingern, drohte zu kippen. Tabitha bemerkte es und sah mich von der Seite an.
»Nein«, sagte ich. »Er. Der Mann.«
»Die Frau habe ich schon mal gesehen«, sagte die Schwarze. »Hat mir Koks abgekauft, zusammen mit ihrem dünnen, kleinen Freund. Süßer Typ, aber nicht der auf dem Foto.« Ihr langer Fingernagel tippte darauf. »Kein Mann wie der da. Eher ein Junge.«
Ich spürte einen Schauder auf meinem Rücken. Ich wusste nicht, was es zu bedeuten hatte. Sicher nichts Gutes.
Die Weiße zuckte die Achseln und wandte sich wieder dem Kokain zu. Tabitha machte mit. Die schwarze Frau musterte mich aufmerksam, und mir fiel auf, dass ich an diesem Tag keiner intelligenteren Person begegnet war.
»Bist du wirklich eine Detektivin?«, fragte sie.
»Ja«, sagte ich. »Wirklich.«
Sie musterte mich. »Mein Bruder sitzt in Quentin ein. Wegen Mordes. Die haben keinen anderen gefunden, deswegen haben sie es ihm in die Schuhe geschoben.«
»Er ist unschuldig?«, fragte ich.
Die Frau sah mich lange aus zusammengekniffenen Augen an. »Mein Bruder ist ein Loser. Er hat eine Menge Mist gebaut. Aber ein Mörder ist er nicht. Das weiß ich ganz sicher. Ich weiß, wo er war, was er gemacht hat und so weiter.«
Ich nahm einen Stift heraus und schrieb meine Telefonnummer auf ein Papierhandtuch.
»Ruf an«, sagte ich. »Vielleicht kann ich helfen.«
Die Frau beobachtete mich.
»Ja«, sagte sie argwöhnisch, aber nicht ohne Hoffnung. »Vielleicht mache ich das.«
Das Gespräch driftete ab. Tabitha amüsierte sich mit den beiden Frauen. Ich verließ die Damentoilette, kehrte aber immer wieder dorthin zurück. Ich unterhielt mich mit anderen Gästen, doch niemand kannte Lydia und Paul. Die Nacht neigte sich; noch hätten wir die Gelegenheit, vor Einbruch des kalten, grellen Tageslichts zu Hause zu sein.
Ich verabschiedete mich von den Frauen. Die Weiße küsste mich, die Schwarze nicht.
Sie sah mich an.
»Du hast mich doch nicht angelogen, oder?«, fragte sie. »Wegen meinem Bruder. Du wirst uns helfen?«
Ich holte eine kleine Lupe aus meiner Handtasche. Ich ergriff die Hand der Frau und untersuchte sie. Ihre Haut war ein bisschen rauh, warm und feucht.
Ich benutzte die Lupe, um ihre Fingerabdrücke zu lesen. Ihr Sündenkringel war deutlich ausgeprägt. Ihr Stolzmond bestand aus einer tiefen Furche. Sie war unter einem schlechten Stern zur Welt gekommen, das sah ich auf Anhieb. Sie hatte nichts als Pech gehabt. Dennoch war ihre Linie der Erkenntnis stark, und der Zigeunerwirbel saß an einer außergewöhnlichen Stelle.
Wenn sie ihren Bruder für unschuldig hielt, glaubte ich ihr.
»Nein«, sagte ich, »ich habe nicht gelogen. Sammel alle Unterlagen zusammen, die du finden kannst, und ruf mich in ein paar Wochen an, dann sehen wir weiter. Wenn ich dir nicht helfen kann, finde ich jemanden, der es kann. Ich kenne viele Anwälte.«
Sie verkniff sich ein Lächeln, zu schön, um wahr zu sein. Ich hatte fünfhundert Dollar in meiner Brieftasche. Ich nahm zweihundert heraus, um eine Achtelunze Kokain zu kaufen.
»Gib mir drei, dann bekommst du ein Viertel«, sagte sie.
Ich legte noch
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