Das Ende der Welt
Geräteschuppen beim Sex mit einem angehenden Mönch erwischt und eine Hure genannt.
Keine von uns würde sich in absehbarer Zeit entschuldigen.
Constance hatte mich vor fast zwölf Jahren zum Lama in die Lehre geschickt. Nach zwei Wochen warf man mich hinaus. Aber Menschen, die Constance miteinander bekannt gemacht hatte, konnten nie ganz voneinander lassen. Manchmal mochte es zur Funkstille kommen, aber nie zum endgültigen Bruch. Nicht einmal im Kali Yuga.
Wir gingen in die Küche. Der Lama kochte Tee, und wir trugen die Tassen auf die hintere Veranda, wo wir uns auf Plastikstühle an einen alten Glastisch setzten. In unserem Rücken ragten die Berge in die Höhe, schroff und massiv.
Wir tranken Tee und schwiegen.
Ich störte mich weniger an dem willkürlichen Schimpfwort »Hure« als an der Absicht dahinter. Wobei man sich als Buddhistin um so etwas eigentlich keine Gedanken machen sollte. Als Buddhistin sollte man die Dinge so hinnehmen, wie sie waren.
»Wie geht es Terrell?«, fragte ich.
»Dazu kann ich Ihnen nicht viel sagen«, sagte der Lama. »Das wissen Sie selbst. Ich bin sein religiöser Mentor. Er macht sich gut. Und falls er in Gefahr wäre, würde ich es Ihnen sagen.«
Der Lama arbeitete als Gefängnisseelsorger und pflegte Brieffreundschaften mit Strafgefangenen im ganzen Land, die sich für den Buddhismus interessierten oder einfach nur ein offenes Ohr brauchten und niemanden hatten als diesen Fremden in Santa Cruz. Als sich herausstellte, dass Terrell, ein Junge aus New Orleans, so oder so eingesperrt werden würde, rief ich den Lama an. Der Lama schrieb ihm Briefe, rief ihn ein- bis zweimal im Monat an, schickte ihm Care-Pakete und tat auch sonst alles Erdenkliche, um dem Jungen das Leben in Haft angenehmer zu machen. Terrell war ein guter Junge und durfte nicht einfach so im Knast von Baton Rouge – formaljuristisch kein Gefängnis, sondern eine Anstalt für gestörte Jugendliche, oder wie auch immer die politisch korrekte Bezeichnung gerade lautete – vor sich hin schimmeln. Natürlich gab es viele andere Teenager, die zu gut für die Institution waren, in die man sie gesteckt hatte; aber Terrell war der einzige, den
ich
dort hineingebracht hatte.
Der Lama holte uns noch einen Tee und setzte sich wieder. Ich fragte mich, ob er mich durchschauen würde, wenn ich auf die Toilette verschwände (um Drogen zu nehmen), und ob es ihn, falls die Antwort ja lautete, stören würde.
»Hat er was von Andray erzählt?«, fragte ich.
»Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt«, sagte der Lama, »und nun erfüllt Terrell die seine. Andray hat eigene Aufgaben. Es geht ihm gut.«
»Sie haben Kontakt zu ihm?«, fragte ich. Offenbar blieben alle Leute untereinander in Kontakt, bloß nicht mit mir.
»Ja«, sagte der Lama, »wir telefonieren hin und wieder.«
»Er lebt?«, fragte ich.
»Er liebt das Risiko«, sagte der Lama, »aber es geht ihm gut.«
Dieser blöde Lama. Plötzlich merkte ich, dass ich mir die Hand an die Schläfe presste wie jemand, der nicht mehr kann, wie jemand, der sagen möchte:
Ich halt das nicht mehr aus.
»Claire«, sagte er, »wenn Sie Terrell laufengelassen hätten, würde er jetzt nicht die Unterstützung bekommen, die er braucht. Es geht ihm besser. Ihm eröffnen sich neue Möglichkeiten.« Es klang, als wollte er sich selbst überzeugen. »Er hat eine Zukunft. Die hatte er vorher nicht. Er wusste nicht, ob er seinen einundzwanzigsten Geburtstag erleben würde. Wahrscheinlich nicht. Jetzt kann er dem, was auf ihn zukommt, gelassen entgegenblicken. Sie haben ihm das Leben gerettet, Claire.«
Ich war mir da nicht so sicher. Wieder legte ich mir die Hand an die Schläfe.
Ich kann einfach nicht mehr.
»Sie glauben, Sie hätten ihn von Andray getrennt«, sagte der Lama. »Und Andray ganz allein zurückgelassen.«
Ich schwieg. Meine Schläfen pochten, ich rieb mir die Stirn.
»Vielleicht haben Sie das tatsächlich«, sagte er, »ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass Andray sich erholt. Ich habe mit ihm gesprochen. Er ist unglaublich clever. Man erklärt ihm etwas, irgendeine Regel, und er versteht sie auf Anhieb. Außerdem hat er New Orleans endlich den Rücken gekehrt.«
»Wirklich?«, rief ich. »Wann? Wo ist er hin?«
Meine Hand drückte gegen meine Schläfe.
»Vor ein paar Monaten schon«, sagte der Lama. »Mist. Ich sollte es niemandem verraten. Aber ich sehe, dass Sie in Sorge sind. Er ist mit seinem Freund Trey unterwegs. Sie fahren auf Güterzügen durchs Land
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