Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
konnte sie außerordentlich gemein sein. Jeder Streit mit ihr war ein kleines Blutbad, das zwar schnell endete, aber dauerhafte Narben hinterließ.
    Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Sie zog dieses böse Gesicht, bei dem ich nie wusste, ob etwas Lustiges oder etwas Verletzendes folgen würde.
    Aber dann fing sie zu kichern an.
    »Alles ist gut«, sagte sie. »Ich habe nur darüber nachgedacht, dass ich wohl nie im Leben einem Typen begegnen werde, mit dem ich mir Sex auch nur vorstellen kann. Es ist einfach unmöglich. Ich glaube, es gibt keinen einzigen Jungen in New York, den ich nicht eklig, verrückt oder noch ekliger finde.«
    »Ach, komm schon«, sagte ich. »Was ist mit CC ?«
    »Igitt!«
    Wir mussten beide lachen. Aber dann trafen sich unsere Blicke, und wir lachten nicht mehr und dachten beide dasselbe.
Chloe hat es getan.
    Hat sie wirklich?
    Wieder fühlte ich mich, als wäre ich allein im dunklen Wald.
    Oder als wäre Chloe allein im Wald. Verirrt, verwirrt, zu Tode verängstigt. Und um sie zu retten, mussten wir ihr dorthin folgen.
     
    Kelly kam nicht mit zum Club. Kurz bevor wir gehen wollten, rief sie Jonah an. Es kam zum Streit.
    »Wir müssen jetzt
gehen
«, flüsterte Tracy ihr ins andere Ohr, »wir arbeiten an einem
Fall!
«
    »Lasst sie in Ruhe«, sagte Lenore von der Türschwelle aus. Ich hatte nicht gemerkt, dass sie uns belauschte. Sie stand in der Tür und hielt eine lange, dünne Zigarette in der Hand. »Sie kann hierbleiben. Und ihr beide zischt ab und spielt Hobbydetektiv.«
    Kelly formte mit den Lippen ein stummes »Dankeschön« in Richtung meiner Mutter, so als wären Lenore und sie die Freundinnen und Tracy und ich die nervigen, strengen Eltern. Sie kehrte uns den Rücken zu und telefonierte weiter.
    Wir zogen ohne sie los.

[home]
    46
    San Francisco
    I n der Nacht kurvte ich mit meinem kleinen Mercedes durch die Stadt. Mein Auto war wie ein Kokon. Ich wusste selbst nicht, wonach ich suchte. Als es spät genug war, fuhr ich zum Fan Club. Die Schwarze war nicht da, aber ich fand problemlos jemanden, dem ich ein Tütchen abkaufen konnte, wenn auch zu einem schlechteren Preis. Ich kaufte bei einem großen, dünnen Mann mit Sonnenbrille. »Ich sollte wenigstens einen Kuss bekommen«, sagte er, so als hätte er mir einen besonders guten Preis gemacht. Ich küsste ihn, fühlte mich danach aber genauso wie davor, also nicht einmal beschämt, was die Aktion witzlos machte.
    Im Morgengrauen fand ich mich in den Bergen hinter Oakland wieder. Der Rote Detektiv betrachtete mich und fragte: »Was macht deine Vermisste?«
    »Es gibt kein verschwundenes Mädchen«, sagte ich zum hundertsten Mal. »Es geht um einen Mord.«
    »Lass es mich wissen, wenn du sie gefunden hast«, sagte er. »Und viel Spaß mit dem Lama morgen.«
    »Mit dem Lama?«, fragte ich.
    Er nickte. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Der Lama hatte mir gemailt.
Kommen Sie morgen vorbei, falls Sie es einrichten können. Sie waren schon lange nicht mehr da. Die Kinder führen etwas auf, es wird Ihnen gefallen.
    Als ich nach Hause kam, war es schon Morgen. Ich fiel in einen unruhigen, kokainschwangeren Schlaf und träumte wieder von Paul. Ich träumte eine Geschichte aus einem der Cynthia-Silverton-Bände, der Fall vom verdächtigen Zirkusartisten. In der Geschichte rang Cynthia mit Herman, dem dunkelhäutigen, tätowierten Verdächtigen, um ein Beweisstück, nämlich um das Messer, mit dem er das Sicherheitsnetz der Trapezkünstlerin zerschnitten hatte. In meinem Traum rang ich mit Paul.
    Ich gewann den Kampf, indem ich ihm von links in die Rippen trat und mich gleichzeitig nach rechts wegduckte und mir dabei das Messer schnappte. So wie Cynthia stets gewann, so gewann auch ich. Wir Detektivinnen gewinnen immer, zumindest die kleinen Schlachten. Andernfalls wären wir keine Detektivinnen.
    Aber im Traum gab ich Paul das Messer zurück. Ich wollte es nicht. Ich wollte weder kämpfen noch gewinnen. Er lächelte, wie er gelächelt hatte, wenn ich ihn glücklich machte, und beim Anblick seines Lächelns fühlte ich mich, als sei alles möglich, als stünden alle verschlossenen Türen plötzlich sperrangelweit offen – was anfangs oft passiert war, dann immer seltener und schließlich gar nicht mehr.
    Einmal, wir kannten uns noch nicht lange, waren wir in einem mexikanischen Restaurant an der 24 . Straße verabredet. Ich kam eine Dreiviertelstunde zu spät. Ein Fall. Immerzu ein Fall. Als ich eintrat, wirkte Paul überglücklich,

Weitere Kostenlose Bücher