Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
wichtiger, effektiv gegen riskantes Verhalten vorgeht.
Die nächste Krise
Finanzkrisen haben die eigentümliche Angewohnheit, radikale Reformen plötzlich vernünftig erscheinen zu lassen. Viele der |281| in diesem Kapitel vorgeschlagenen Schritte hätten vor der Krise übertrieben und unnötig gewirkt. Das ist heute anders.
Die hier umrissenen Reformen würden viel dazu beitragen, das Finanzsystem verantwortlicher und transparenter zu machen, indem
sie Vergütungssysteme reformieren, die Verbriefung regulieren, Derivate öffentlich kontrollieren und die vorgeblichen Wachhunde
des Systems – die Ratingagenturen – an die kurze Leine nehmen würden. Diese Reformen würden außerdem bewirken, dass Banken
und andere Finanzunternehmen ausreichend Kapital und vor allem genügend Liquidität zu Verfügung hätten, um größere Finanzkrisen
zu stemmen.
Diese Reformen würden auch dem Missbrauch Einhalt gebieten, der sich fast zwangsläufig einstellt, wenn eine kleine Clique
von Banken und Investmentbanken einen großen Teil des Finanzsystems beherrscht. Wenn Derivate und andere Finanzprodukte transparenter
wären, könnten die Geldinstitute keine derart astronomischen Gebühren verlangen. Natürlich haben diese Unternehmen wenig Interesse
daran, den Handel mit Derivaten in Börsen zu verlagern, weil sie dort natürlich nicht mehr von der mangelnden Transparenz
profitieren würden. Heute können sie horrende Gebühren verlangen, da die Preise nicht transparent sind, und sie können die
Informationen über die Aktivitäten ihrer Klienten für den Eigenhandel nutzen. Dies wird durch größere Transparenz verhindert.
Skeptiker könnten argumentieren, es sei ihre eigene Entscheidung, wenn Investoren Unsummen für vermeintliche Top- oder besser
Floprenditen bezahlen wollen. Doch der Aufstieg einer Clique mächtiger, undurchsichtiger Finanzunternehmen hat ein sehr viel
bedrohlicheres Problem geschaffen. Diese Geldinstitute übernehmen heute eine erstaunliche Vielfalt von Funktionen: Ausgabe
und Versicherung von Wertpapieren, Quotierung und Handel, Eigenhandel, Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Hedge-Fonds, Vermögensverwaltung
und das ganz normale Bankgeschäft. Die Vermischung dieser Funktionen und die engen Beziehungen zwischen |282| den wenigen überlebenden Geldinstituten haben ein extrem risikoanfälliges System geschaffen.
Die Verlagerung der Derivategeschäfte an die Börse würde den Verzerrungen bei den Gebühren ein Ende bereiten und vor allem
das Kontrahentenrisiko verringern, dessentwegen die Finanzunternehmen zu verflochten für eine Pleite sind. Je mehr Derivate
in Börsen gehandelt werden, desto geringer das Kontrahentenrisiko und damit die Verflechtungen. Wir müssen Finanzunternehmen
nicht nur verkleinern, sondern auch entflechten, damit eine mögliche Pleite keinen Dominoeffekt auslöst. An einer Börse würden
die Investmentbanken nur die Geschäfte ihrer Kunden abwickeln, und nicht gleichzeitig quotieren und handeln, was Interessenkonflikten,
Intransparenz und Kontrahentenrisiko Tür und Tor öffnet. Wir brauchen also einen neuen Glass-Steagall Act und ein Finanzsystem,
in dem Unternehmen und ihre Aktivitäten entwirrt werden, um dafür zu sorgen, dass sie weder zu groß noch zu verflochten sind
für eine Pleite.
Die Konzentration der Finanzmacht hat ein System geschaffen, das derart verflochten ist, dass es eine Gefahr für die ganze
Wirtschaft darstellt. Die Vorschläge in diesem Kapitel zeigen erste Schritte zu einer Lösung dieses Problems auf. Doch wenn
das Finanzsystem in den nächsten Jahren auch nur annähernd stabil sein soll, sind radikalere Reformen nötig.
|283| Kapitel 9
Ein radikaler Schnitt
Anfang Januar 2010 verteidigte Ben Bernanke den Umgang der Federal Reserve mit der jüngsten Finanzkrise. Die Lehre, die er
daraus zog, war einfach und klar: Bessere Regulierung hätte die Krise verhindern können. Er formulierte es so: »Ich habe aus
der Krise nicht gelernt, dass Regulierung und Aufsicht nicht zur Kontrolle der Risiken geeignet sind, sondern dass sie besser
und intelligenter ausgeführt werden müssen.« 1
Das stimmt. Doch wie genau könnten diese Behörden ihre Aufgaben »besser und intelligenter« ausführen? In diesem Kapitel beschäftigen
wir uns mit einigen der durchaus ernstzunehmenden Hindernisse, die diesem ehrgeizigen Unterfangen im Wege stehen. Zu den Problemen
gehören die bewusste Umgehung behördlicher
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