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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Anwendung der Vorschriften wäre jedoch ein gravierender Fehler. Dadurch würde nur einer weiteren Regulierungsarbitrage
     Tür und Tor geöffnet. Finanzunternehmen |286| würden sich nicht mehr an die größeren, stärker überwachten Institute wenden, sondern an ihre unscheinbareren Mitbewerber.
     Trotz ihrer geringen Größe wären diese lockerer regulierten Unternehmen zunehmend bedeutsam für das Funktionieren des Systems.
     Während der Spar- und Darlehenskrise gingen rund 1 400 Institute pleite. Keines von ihnen war für sich genommen relevant für
     das System, alle zusammen konnten ihm jedoch durch ihr kollektiv schlechtes Kreditgeschäft und Verlustaufkommen beträchtlichen
     Schaden zufügen.
    Aus diesem Grund muss eine neue Regulierung flächendeckend für alle Institute gelten, nicht nur für einige ausgewählte. Dieselben
     Vorschriften müssen alles regeln, von den Rücklagen und der Liquidität bis zu Unternehmenskodizes und Informationsstandards.
     Diese Vorschriften sollten für alle gleichermaßen gelten, auch wenn systemrelevante Institute angesichts ihrer potenziellen
     Tragweite strenger reguliert werden sollten als kleinere. Es darf keine Schlupflöcher für Finanztrickser geben. Die staatliche
     Aufsicht darf nicht auf bestimmte Bereiche beschränkt bleiben. Andernfalls wird der Missbrauch zunehmen, und mit ihm die Zahl
     der Krisen.
    In aller Fairness muss gesagt werden, dass es in den letzten Jahren zu einfach war, die Regulierung zu umgehen – und zwar
     dank einer Gepflogenheit, die beschönigend als »Selbstregulierung« bezeichnet wird. Das bedeutete, dass die Regulierungsbehörden
     lediglich allgemeine »Grundsätze« festlegten, während die genaue Umsetzung den Finanzunternehmen überlassen blieb. Diese Politik
     der leichten Hand lud geradezu zum Missbrauch ein. Da die Unternehmen ihr Risikomanagement nach ihren eigenen Vorstellungen
     gestalten konnten, setzten sie ihre Notfallreserven in der Regel viel zu niedrig an.
    Die Behörden sollten nun allerdings nicht in den gegenteiligen Fehler verfallen und reihenweise konkrete Vorschriften beispielsweise
     für sämtliche strukturierten Finanzprodukte herausgeben. Dieser Schuss könnte nach hinten losgehen und würde die Finanzjongleure |287| nur dazu motivieren, neue Produkte auszutüfteln, mit denen sie die Vorschriften umgehen können.
    Allzu detaillierte Regelungen führen auch in anderer Hinsicht nicht zum gewünschten Ergebnis. Die finanzielle Innovation hat
     bereits ein schwindelerregendes Ausmaß erreicht, wie das unaufhaltsame Anwachsen eines branchenüblichen Derivatekatalogs zeigt.
     Bei seiner ersten Ausgabe im Jahr 1989 hatte dieser nur 700 Seiten, die letzte 2006 erschienene Ausgabe war knapp 5 000 Seiten
     stark. 2 Es ist unglaublich schwierig, mit den neuen Finanzprodukten Schritt zu halten.
    Das bedeutet aber nicht, dass die Regulierungsstellen einfach kapitulieren, zur Selbstregulierung zurückkehren und sich darauf
     verlassen können, dass sich die braven Händler schon daran halten werden. Es ist vielmehr ein Argument für ein einfaches und
     robustes Regelwerk, das die wichtigsten Merkmale des Finanzsystems reguliert. So sollten etwa klare Obergrenzen für den Fremdkapitalanteil
     festgelegt werden, und zwar nicht für den risikobereinigten, sondern für den absoluten. Ebenso eindeutig sollten Eigenkapitalanforderungen
     und Liquiditätspuffer geregelt werden. Auch diese können und müssen absolut und pauschal auf alle Finanzunternehmen angewandt
     werden, auf große wie kleine. Etwaige Ermessensspielräume sollten nicht wie bisher den Bankern eingeräumt werden, sondern
     den Regulierungsbehörden.
    Das wirft jedoch ein weiteres verzwicktes Problem auf, das über ein spezifisches Reformprogramm hinausgeht. Wie sind solche
     Regelungen anzuwenden? Welche Behörden sollen dabei die Führung übernehmen? Und wie sollen diese ihre Anstrengungen koordinieren?
     
     
    Wie man Reformen umsetzt
     
    In den Vereinigten Staaten teilt sich eine verwirrende Vielzahl von Regulierungsorganen auf Ebene des Bundes und der Bundesstaaten |288| die Zuständigkeit für das Finanzsystem. 3 Diese haben sich über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren planlos entwickelt.
    Beginnen wir auf der Ebene der Bundesstaaten. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts haben alle 50 Bundesstaaten eigene Banken-
     und Versicherungskommissionen gegründet. Jede arbeitet anders und hat unterschiedliche Erfahrungen in der Überwachung der
    

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