Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Krise gepaukt hat. Während
die Vereinigten Staaten sich weiterhin immer mehr Geld im Ausland leihen, äußern ihre Gläubiger hinter vorgehaltener Hand
schon das Unvorstellbare: dass die Vereinigten Staaten auf das bewährte Mittel zur Schuldentilgung zurückgreifen, die Druckerpresse
anwerfen und die Welt mit abgewerteten Dollars überschwemmen könnten.
Das kann passieren, muss aber nicht. Dass ein solches Szenario überhaupt ernsthaft diskutiert wird, spricht für einen maßgeblichen
geopolitischen Wandel. Viele Jahrzehnte lang genossen die Vereinigten Staaten international eine politische und wirtschaftliche
Vormachtstellung, unter anderem weil der Dollar die Reservewährung der Welt war. Doch in den letzten 20 Jahren haben die Vereinigten
Staaten zunehmend mehr ausgegeben, als sie produziert und eingenommen haben, und sie haben mehr importiert als exportiert.
Vom größten Kreditgeber der Welt sind sie zu ihrem größten Kreditnehmer geworden und haben dabei an Macht verloren. Das Gleiche
gilt für den Dollar, und es ist durchaus denkbar, dass er eines Tages von einer anderen Währung, zum Beispiel dem chinesischen
Renminbi, abgelöst wird.
In diesem Kapitel beleuchten wir den Ursprung dieser beunruhigenden Entwicklungen, über den erstaunlich viele verwirrende
und falsche Informationen kursieren. Wir untersuchen, wie sich diese Probleme in den nächsten Jahren lösen lassen könnten,
und erwägen Gestaltungsspielräume für den schwierigen Übergang vom amerikanischen Jahrhundert in eine Epoche, die zur Ära
der Chinesen werden könnte.
Diese tektonischen Verschiebungen könnten sich durchaus abrupt und ungeordnet vollziehen. Das wird die Zeit weisen. Sollte
es |320| zu spontanen Erschütterungen kommen, wird das auf jeden Fall unangenehm. Ein Staatsbankrott und der Zusammenbruch einer Währung
sind im Fall eines kleineren Schwellenlandes schon schlimm genug und können einen breiten Ansturm auf die Banken, verheerende
Inflation, explodierende Arbeitslosigkeit und politische und soziale Unruhen zur Folge haben. Wenn aber die derzeit größte
und mächtigste Volkswirtschaft der Welt, die Vereinigten Staaten von Amerika, einer solchen Krise zum Opfer fällt, sind die
Auswirkungen nicht auszudenken. Eine solche Katastrophe würde der Bezeichnung »Too big to fail« eine ganz neue und beängstigende
Bedeutung verleihen.
Das Problem der Leistungsbilanz
Um besser zu verstehen, was Länder wie China und die Vereinigten Staaten erwarten könnte, müssen wir uns mit einem grundlegenden
Maßstab für die wirtschaftliche Gesundheit eines Landes auseinandersetzen: der »Leistungsbilanz«.
Die Leistungsbilanz ist die »Außenbilanz« eines Landes. Sie gibt an, wie sich die Wirtschaft eines Landes zu einem gegebenen
Zeitpunkt zu der anderer Länder verhält. Dabei kann es entweder zu einem Überschuss oder zu einem Defizit der Leistungsbilanz
kommen. Theoretisch könnte ein Land zwar eine ausgeglichene Leistungsbilanz haben, doch in der Praxis kommt das nicht vor.
Das wäre so, als würde ein Unternehmen weder Gewinne noch Verluste ausweisen.
Abgesehen davon ist ein Land nicht mit einem Unternehmen vergleichbar, denn seine Bilanz ist sehr viel größer und komplexer.
Zur Leistungsbilanz gehören unter anderem die Ein- und Ausfuhren des Landes. Aus der Differenz dieser Posten ergibt sich ein
negativer oder ein positiver Wert. Manche Länder wie die Vereinigten Staaten verzeichnen ein Außenhandelsdefizit, das heißt,
sie importieren mehr Güter und Dienstleistungen, als sie exportieren, |321| und haben damit einen negativen Saldo. Länder wie China oder Japan verbuchen dagegen einen Außenhandelsüberschuss, weil sie
mehr Waren und Dienstleistungen ausführen, als sie einführen; sie haben einen positiven Saldo.
Doch das ist nur ein Teil der Leistungsbilanz eines Landes. Daneben gehören zur Leistungsbilanz auch die Aktiva und Verbindlichkeiten
eines Landes gegenüber dem Ausland. Beginnen wir mit den Aktiva. Wenn ein Land wie die Vereinigten Staaten Aktien, Anleihen
oder Immobilien in einem anderen Land besitzt, generieren diese in der Regel Erträge in Form von Dividenden, Zinsen und Mieten,
die in die Vereinigten Staaten fließen. Daraus ergibt sich ein positiver Wert. Wenn amerikanische Unternehmen dagegen Aktien
oder Anleihen ausgegeben haben, die in ausländischer Hand sind, oder wenn die Vereinigten Staaten selbst Staatsanleihen
Weitere Kostenlose Bücher