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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Inflationsziele zu setzen. Sie sollte sie auch nicht davon abhalten, gegen Spekulationsblasen vorzugehen.
     Außerdem stehen der Politik durchaus einige hilfreiche Instrumente zur Verfügung. Sie ermöglichen es ihr zumindest ein Stück
     weit, zu messen, ob die Vermögenspreise außer Kontrolle geraten. Und eins ist ja wohl klar: Neben den Modellen bleibt uns
     immer noch unser gesunder Menschenverstand, wenngleich dieser in der Politik zuletzt ein rares Gut war. Ein Zentralbanker,
     der sieht, wie sich die Kurse von Hightech-Aktien innerhalb weniger Monate verdoppeln und verdreifachen, und trotzdem keine
     Blase erkennen kann, sollte sich vielleicht einen anderen Job suchen.
    Um die Passivität der Zentralbank angesichts von Spekulationsblasen zu rechtfertigen, werden noch andere Argumente vorgeschoben.
     Dazu gehört die Behauptung, Spekulationsblasen seien ja nicht schlecht für die Wirtschaft, weshalb sich die Zentralbanken
     aus dieser Sache heraushalten sollten. Diese These ist geradezu lächerlich. Eine Fülle von Indizien aus mehreren Jahrhunderten
     belegt, dass die Wirtschaft beim Platzen von Spekulationsblasen enorme Kollateralschäden erleidet, die jahrelang nachwirken
     können.
    Ein weiteres Argument behauptet, dass jede Zinserhöhung, die eine Spekulationsblase zum Platzen bringen soll, eine massive
     Rezession auszulösen droht. Will heißen, die Risiken seien größer als der potenzielle Nutzen. Demnach wäre es besser, die
     Hände in den Schoß zu legen. Vertreter dieses Standpunkts glauben, dass die Entscheidung der amerikanischen Notenbank, im
     Jahr 1929 die Zinsen heraufzusetzen, den Crash verursacht habe. Ebenso soll der Versuch der Bank von Japan, die Vermögens-
     und Immobilienblase in ihrem Land unter Kontrolle zu bringen, den Crash von 1990 ausgelöst haben. Kritiker, die diese und
     andere Beispiele anführen, übersehen geflissentlich, dass in beiden Fällen die Zentralbank der Spekulation zunächst Vorschub
     leistete und den sprichwörtlichen Punsch erst abräumte, als die Party schon außer Kontrolle geraten war.
    |315| Das soll nicht heißen, dass die Politik drastische Zinssenkungen verfügen sollte, um Spekulationsblasen einzudämmen. Das wäre
     gefährlich. Doch ein gemäßigter vorbeugender Ansatz ist durchaus angemessen und sicherlich der aktuellen Politik vorzuziehen,
     die zuerst der Spekulationsblase tatenlos beim Wachsen zusieht und nach deren Platzen in hektischen Aktionismus verfällt.
     Es ist schade, dass vor allem Greenspan mit dieser Strategie – erst nichts und dann alles tun – assoziiert wird. Als er 1996
     seine berüchtigte Rede hielt, fand er die steigenden Aktienkurse eindeutig bedenklich. Über die Gefahren von Spekulationsblasen
     sagte er, dass »die Bewertung von Verschiebungen in den Bilanzen im Allgemeinen und bei den Vermögenspreisen im Besonderen
     fester Bestandteil der Gestaltung der Geldpolitik sein muss«. Doch er hielt sich nicht an seine eigenen Worte, vielleicht
     aus Angst, dass eine Berücksichtigung der Vermögenspreise in der Geldpolitik einen unverhältnismäßigen und destruktiven Effekt
     auf die Märkte haben könnte.
    In Wirklichkeit liegt die Gefahr geldpolitischer Mittel nicht so sehr darin, dass sie zu viel, sondern eher darin, dass sie
     zu wenig Wirkung zeigen. Hätte die Notenbank zum Beispiel versucht, den »irrationalen Überschwang« der neunziger Jahre durch
     Anhebung der Zinsen um 100 oder 150 Basispunkte zu bremsen, hätte das in einem Klima, in dem die Investoren eine jährliche
     Verdoppelung der Aktienkurse erwarteten, allein vermutlich nicht ausgereicht. Auch zehn Jahre später hätten ähnliche Zinsanhebungen
     vermutlich einen eher begrenzten Effekt auf Eigenheimbesitzer gehabt, die davon ausgingen, dass die Immobilienpreise bis in
     alle Ewigkeit um 20 Prozent pro Jahr steigen würden.
    In solchen Zeiten genügen geldpolitische Maßnahmen nicht, um eine Kredit- oder Anlagenblase zu kontrollieren. Dann müssen
     die Zentralbanken möglicherweise andere Befugnisse nutzen, die ihnen offenstehen. So hat die Notenbank zum Beispiel gemäß
     der »Regulation T« das Recht, die sogenannten »Einschusserfordernisse« zu verändern – die Summen also, die sich Investoren
     leihen |316| dürfen, um Wertpapiere zu kaufen. 27 Obwohl die Federal Reserve diese Größe in ihrer Anfangszeit regelmäßig verändert hat, ließ sie diese seit 1974 stets bei
     50 Prozent. Eine Anhebung dieser Vorgaben hätte viel dazu beigetragen,

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