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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Bereitschaft des Staates, Geld bereitzustellen, stoppte die Panik, auch wenn die Nachwirkungen noch über Monate, vielleicht
     sogar Jahre zu spüren sein werden. Diese trügerische Ruhe hatte einen hohen Preis. Walter Bagehot und andere Vordenker des
     Zentralbankwesens hatten davor gewarnt, in Zeiten der Panik unterschiedslos Geld zu verleihen. Kreditgeber müssten klar zwischen |159| nicht liquiden und nicht solventen Unternehmen unterscheiden und dürften Geld nur zu »Strafzinsen« vergeben, wie Bagehot sie
     nannte. Doch diesmal retteten die Notenbanken Banken und Nichtbanken und stellten Kredite zu Zinsen zur Verfügung, die alles
     andere als Strafzinsen waren. Die Mutter aller Runs hatte Nichtbanken wie Hypothekenvergeber, SIVs und Conduits, Hedge-Fonds,
     die Interbankenmärkte, Investmentbanken, Geldmarktfonds, Finanzierungsunternehmen und auch traditionelle Banken und andere
     Wirtschaftsunternehmen erfasst. Da die Banken kein Geld mehr verliehen – weder an andere Banken, noch an sonstige Finanzunternehmen,
     ja, nicht einmal an Unternehmen aus ganz anderen Wirtschaftsbereichen –, mussten die Zentralbanken als Kreditgeber erster,
     letzter und einziger Instanz einspringen. Doch nach dem Sturm war von der »kreativen Zerstörung«, wie sie Schumpeter forderte,
     wenig zu sehen. Stattdessen warteten Starke wie Schwache in einer Art Scheintod auf den Tag der Abrechnung.

|160| Kapitel 5
Pandemie
    »Wenn die Vereinigten Staaten niesen, dann bekommt der Rest der Welt einen Schnupfen.« So klischeehaft dieses alte Sprichwort
     des Finanzmarkts auch klingt, es enthält doch ein großes Korn Wahrheit. Die Vereinigten Staaten verfügen über die größte und
     mächtigste Volkswirtschaft der Welt, und wenn diese kränkelt, leiden auch die Länder, die auf ihren unersättlichen Bedarf
     an Rohstoffen und Waren angewiesen sind.
    In Zeiten einer Finanzkrise nimmt diese Dynamik eine neue und bedrohliche Dimension an. Erkrankt das Finanzsystem einer wirtschaftlichen
     Supermacht, kann sich das rasch zu einer gefährlichen globalen Epidemie ausweiten. Was als Crash oder Bankenpleite im Herzen
     der internationalen Finanzwelt beginnt, kann sich schnell zu einer landesweiten Panik und einer weltweiten Katastrophe entwickeln.
     Dieses Szenario hat sich in der Vergangenheit häufig wiederholt, ob in Großbritannien im 19. Jahrhundert oder später in den
     Vereinigten Staaten.
    Als die Vereinigten Staaten Ende 2006 und Anfang 2007 von der Subprimekrankheit erfasst wurden, waren trotzdem viele der Ansicht,
     der Rest der Welt könne sich von der schwächelnden Supermacht »entkoppeln«. Nach dieser Vorstellung, die von Goldman Sachs
     in die Welt gesetzt wurde und bald als Konsens galt, würden die boomenden Volkswirtschaften Brasiliens, Russlands, Indiens
     und Chinas aufgrund der starken Binnennachfrage nicht |161| von der Krise betroffen. Die aufstrebenden Wirtschaftsmächte würden dem Fluch der Geschichte entgehen.
    Auch in Europa klammerten sich viele an diese Überzeugung. Nur in den Vereinigten Staaten gab es das, was man in Frankreich
     verächtlich »le capitalisme sauvage« nannte, so lautete die Theorie. Die Konsequenzen würden also auf die Vereinigten Staaten
     beschränkt bleiben. Im September 2008 erklärte der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, »die Finanzmarktkrise«
     sei »vor allem ein amerikanisches Problem«, und fügte hinzu, dass die Finanzminister der übrigen G7-Staaten diese Ansicht
     teilten. 1 Doch wenige Tage später waren weite Teile des europäischen Finanzsystems praktisch kollabiert. Die deutsche Regierung war
     gezwungen, den Bankriesen Hypo Real Estate zu retten, und Steinbrück musste einräumen, dass Europa am Rande des Abgrunds stand.
     Wenig später wurden große europäische Banken wie Dexia und Fortis gerettet, und Irland gab eine umfassende Garantie für die
     sechs größten Banken des Landes ab. Andere Nationen folgten, darunter Großbritannien, das weite Teile seines Bankwesens praktisch
     verstaatlichte. Im Oktober 2008 gingen viele europäische Nationen und Kanada so weit, nicht nur die Einlagen der Banken zu
     garantieren, sondern auch ihre Schulden. Die Krise blieb jedoch nicht auf Europa und Kanada beschränkt. Sie traf Länder auf
     allen Kontinenten, darunter auch Brasilien, Russland, Indien und China. In einigen Fällen war das geteilte Leid ein Resultat
     der gegenseitigen Abhängigkeiten innerhalb der globalisierten Wirtschaft: Die Krise breitete

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