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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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war im Nachgang der wiederkehrenden Krisen des 19. Jahrhunderts relativ häufig, kam aber im 20. Jahrhundert viel
     seltener vor. Sie trat zwar in der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre in Erscheinung, verschwand danach aber weitgehend
     von der Bildfläche. Erst in den neunziger Jahren tauchte sie wieder auf – zunächst nach dem Platzen der Spekulationsblase
     in Japan und dann gegen Ende des Jahrzehnts im Gefolge der Rezession in Argentinien.
    Es war die Aussicht auf eine solche Deflation, die den Wirtschaftsexperten in der jüngsten Krise »kalte Schauer« über den
     Rücken jagte. Wie sie nur zu gut wussten, konnte diese Deflation sich auf die gesamte Wirtschaft auswirken. Selbst wenn sich
     eine ausgewachsene Wirtschaftskrise vermeiden lässt, kann die Deflation das Wachstum auf Jahre hinaus lähmen und einen Zustand
     herbeiführen, der sich am besten als »Stag-Deflation« bezeichnen lässt, einer Mischung aus wirtschaftlicher Stagnation oder
     gar Rezession und Deflation. Wenn es dazu kommt, versagen die üblichen Werkzeuge der Geldpolitik.
    Irving Fisher war einer der Ersten, der die Dynamik der Deflation durchschaute. Fisher ist bis heute dafür bekannt, dass er
     kurz vor dem Börsencrash von 1929 behauptete, die Aktienkurse hätten sich auf einem »dauerhaft hohen Niveau« eingependelt.
     Er rehabilitierte sich jedoch später durch die Formulierung einer überzeugenden Theorie über den Zusammenhang zwischen Finanzkrisen, |191| Deflation und Wirtschaftskrisen – kurz dem, was er als »die Schulden-Deflationstheorie großer Wirtschaftskrisen« bezeichnete.
     Einfach ausgedrückt sah Fisher zwei Ursachen für die Eskalation von Wirtschaftskrisen: eine zu hohe Verschuldung vor der Krise
     und ein zu starker Preisverfall danach. 6
    Fisher erkannte, dass den schlimmsten Rezessionen der Vereinigten Staaten – den Krisen der Jahre 1837, 1857, 1893 und 1929
     – eine starke Verschuldung der Gesamtwirtschaft vorausgegangen war. Kam es dann zu einem Schock wie dem Börsencrash des Jahres
     1929, forderten Banken ausstehende Verbindlichkeiten ein. Nach Fishers Ansicht waren der nachfolgende überstürzte Verkauf
     von Schuldtiteln und der Aufbau liquider Reserven zwar nachvollziehbar, schadeten jedoch der Gesundheit der Gesamtwirtschaft.
     Wie er 1933 erläuterte, »wächst die Schuldenlast Einzelner allein schon durch deren Bestrebungen, sie zu reduzieren, weil
     der Exodus aus Schuldtiteln eine Massenwirkung ausübt … je mehr die Schuldner zahlen, desto mehr schulden sie«. 7 Er ermittelte, dass die Schuldner zwar von Oktober 1929 bis März 1933 rund 20 Prozent des Nennwerts ihrer Schulden getilgt
     hatten, dass die Deflation die Restschuld de facto jedoch um 40 Prozent ansteigen ließ.
    Wie kann das sein? Fisher argumentierte, im Zuge des hektischen Ausverkaufs von Anlagen verfielen die Preise für nahezu alles,
     von Wertpapieren bis zu Rohstoffen. Das Angebot übertreffe die Nachfrage, und die Preise fielen. Gleichzeitig würden die Guthaben
     bei Banken angezapft, um Schulden abzuzahlen, oder sie würden aus Angst vor Bankpleiten gleich ganz abgehoben. Das wiederum
     führe zu einem Rückgang der von Wirtschaftswissenschaftlern als »Buchgeld« bezeichneten Größe und am Ende zu einer Kontraktion
     der gesamten Geldmenge. Dadurch gerieten die Preise weiter unter Druck. Der Preisverfall erfasse sämtliche Anlagen, wodurch
     das Nettovermögen der Banken und Unternehmen abschmelze, die eben jene Anlagen besitzen. Das wiederum führe zu neuen Notverkäufen,
     einem weiteren Preisverfall und einer Beeinträchtigung der Marktliquidität. Düsterkeit und Pessimismus |192| verbreiteten sich, Bargeld werde gehortet, und der Ausverkauf gehe weiter.
    Diese Deflationsspirale habe unheilvolle Konsequenzen. Wenn jeder um Rückzahlung seiner Schulden bemüht sei (und die Gesamtnachfrage
     nach Gütern in einer schweren Rezession einknicke), steigere der nachfolgende Preisverfall bei Waren und Dienstleistungen
     paradoxerweise die Kaufkraft einer Währung und damit die eigentliche Belastung durch die verbleibenden Schulden. Anders ausgedrückt
     erhöhe die Deflation den realen Wert nominaler Verbindlichkeiten. Statt Schulden abzubauen, standen die Menschen also noch
     tiefer in der Kreide als zuvor. Daher sprach Fisher vom »großen Paradoxon«. Je mehr jemand abzahle, desto schwerer werde seine
     Schuldenlast. 8
    Das also ist die Schuldendeflation. Verständlicher wird dieses Phänomen, wenn wir das

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