Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
immer die Ursachen des Abschwungs waren, die Inflation sank in jedem Fall wieder, wenn auch nie auf null. Auf den
Einbruch beim Output oder dem Bruttoinlandsprodukt – in der Regel um ein oder zwei Prozentpunkte – folgten ein unerfreulicher,
aber verkraftbarer Anstieg der Arbeitslosigkeit und die üblichen negativen Begleiterscheinungen einer Rezession.
Mitunter begann die Wirtschaft aus eigenem Antrieb wieder zu wachsen. Andernfalls kurbelte die Politik den Aufschwung an,
indem sie auf bewährte Instrumente zurückgriff. Zum einen wurden die Leitzinsen gesenkt, was dazu führte, dass Haushalte und
Unternehmen günstigere Kredite aufnehmen konnten. Dies wiederum beflügelte die Nachfrage nach allen möglichen Gütern, vom
Eigenheim bis zur Fabrikanlage. Zinssenkungen hatten oft den Nebeneffekt, dass der Dollar an Wert verlor. Das machte Exporte
attraktiv und verteuerte Importe, wodurch die Nachfrage nach einheimischen Waren stieg – was wiederum zur wirtschaftlichen
Erholung beitrug. Dazu kamen konjunkturpolitische Maßnahmen, die aus dem Haushalt finanziert werden.
Die ersten zehn Rezessionen im Nachkriegsamerika hielten sich weitgehend an dieses Drehbuch. Mit Ausnahme einer besonders
hartnäckigen Rezession nach dem Ölpreisschock von 1973 waren die meisten nach weniger als zwölf Monaten beendet. Ein weiterer
Ausreißer war die Rezession nach dem zweiten Ölpreisschock von 1979. Um die Inflation zu bekämpfen, entschied sich die Notenbank
zu einer Hochzinspolitik, die diese Rezession schwerer ausfallen ließ. Dieses Vorgehen war brutal, aber erfolgreich, und bereitete
den Boden für den gefeierten »langen Aufschwung«. Infolgedessen dauerten die Rezessionen von 1991 und 2001 nur je acht Monate.
Natürlich gab es Heulen und Zähneklappern, doch |189| die Einbrüche mündeten stets in neuerliches Wachstum und Optimismus, was in unterschiedlichem Maße den währungspolitischen
Lockerungen, Investitionsanreizen und Steuersenkungen zu verdanken war.
Die zwölfte Nachkriegsrezession, die im Kielwasser der jüngsten Finanzkrise einsetzte, nahm einen anderen Verlauf. Die Preise
stagnierten nicht nur, sondern sanken in manchen Fällen zum ersten Mal seit 50 oder 60 Jahren. Das waren Anzeichen einer Deflation
– einer Erscheinung, die Politiker jeglicher Couleur nervös werden ließ. Ihre Wiederkehr »jagt den Wirtschaftswissenschaftlern
kalte Schauer über den Rücken«, berichtete die
New York Times
im Herbst 2008. 4 Im folgenden Frühjahr stieß Notenbankchef Bernanke in dasselbe Horn, als er erklärte: »Wir gehen derzeit sehr aggressiv vor,
weil wir eine Deflation vermeiden wollen.«
Den Uneingeweihten war die ganze Aufregung suspekt. Sinkende Preise waren doch gut, oder etwa nicht? Wenn alles weniger kostete,
konnten die Menschen schließlich mit jedem Dollar, den sie in der Tasche hatten, mehr einkaufen. Was sollte daran schlecht
sein? Es gab tatsächlich vereinzelt Episoden mit geringen, konstanten Deflationsraten, die mit einem robusten Wirtschaftswachstum
einhergingen. 5 Das war allerdings meist dem technischen Fortschritt zu verdanken, der Waren verbilligte. So trugen der Ausbau der Eisenbahnlinien
und die Entwicklung neuer Produktionsmethoden von 1869 bis 1896 zu einem Rückgang der Preise um 2,9 Prozent pro Jahr bei.
Gleichzeitig wuchs die Wirtschaft trotz wiederkehrender Krisen im Durchschnitt um jährlich 4,6 Prozent.
Diese Phase ist für die Wirtschaftshistoriker eine Kuriosität, denn Deflation verträgt sich in der Regel nicht mit Wirtschaftswachstum.
Das liegt daran, dass der Preisverfall meist nicht durch technische Neuerungen verursacht wird, sondern durch einen Einbruch
der Gesamtnachfrage im Verhältnis zum Warenangebot und zur Produktionskapazität einer Volkswirtschaft.
Diese verbreitetere Art der Deflation kann im Wirtschaftsalltag |190| die merkwürdigsten Konsequenzen haben. So kann sie etwa Verbraucher von größeren Anschaffungen abhalten. Wer sich heute ein
Auto oder ein Haus kauft, greift leicht in ein fallendes Messer. Das Gleiche gilt für Fabriken, die größere Investitionen
planen. In beiden Fällen kann es besser sein, so lange abzuwarten, bis die Preise nicht weiter fallen. Doch aufgeschobene
Ausgaben tragen leider nicht dazu bei, das Wirtschaftswachstum anzuregen. Ganz im Gegenteil.
Deflationsschübe durch Finanzkrisen sind dagegen ganz anderer Natur und unter Umständen weitaus gefährlicher. Diese Art der
Deflation
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