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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Vision so düster war. Wie er mitten in der Krise 1933 schrieb: »Wenn der Rückgang des Preisniveaus
     nicht durch einen gegenläufigen Effekt aufgehalten wird, setzt sich eine solche Wirtschaftskrise jahrelang fort und wird in
     einer verhängnisvollen Spirale immer schlimmer. Das Boot schaukelt unablässig weiter, bis es kentert.« Fisher räumte zwar
     ein, dass sich die Dinge am Ende stabilisieren könnten – nach einem »nahezu universellen Bankrott« –, doch er hielt dies für
     »unnötig und grausam«. Stattdessen empfahl er, die Politik solle die Preise auf den Stand vor der Krise »reflationieren«:
     »Wenn die Schulden-Deflations-Theorie großer Wirtschaftskrisen korrekt ist, bekommt die Frage nach der Kontrolle des Preisniveaus
     eine ganz neue Bedeutung und diejenigen, die am Ruder sitzen – die Notenbank und der Finanzminister – tragen künftig eine
     ganz andere Verantwortung.« 10
    |195| Diese Worte gingen Notenbankchef Benjamin Bernanke, Finanzminister Henry Paulson und seinem Nachfolger Timothy Geithner vermutlich
     durch den Kopf, als sie sich mit Ereignissen konfrontiert sahen, die an eine Neuauflage der Weltwirtschaftskrise erinnerten.
     Doch wie fast alles in der Finanzkrise ist auch die Reflation – oder, um es klarer zu formulieren, die Herbeiführung der Inflation
     –, einfacher gesagt als getan. Wenn eine deflationäre Spirale erst einmal in Gang gekommen ist, greift die konventionelle
     Geldpolitik in der Regel nicht mehr. Auch gegen viele andere negative Begleiterscheinungen von Finanzkrisen ist sie wirkungslos.
     Es müssen andere Instrumente entwickelt und zum Einsatz gebracht werden.
     
     
    Die Liquiditätsfalle
     
    Wenn Wirtschaftswissenschaftler von einem Versagen der konventionellen Geldpolitik sprechen, fällt häufig der Begriff »Liquiditätsfalle«.
     Um zu verstehen, warum die politischen Entscheider diesen Zustand so fürchten, wollen wir uns ansehen, wie Zentralbanken Geldmenge,
     Zinsen und Inflation kontrollieren. 11
    In den Vereinigten Staaten steuert die Federal Reserve die Geldmenge vor allem über sogenannte »Offenmarktgeschäfte«. Das
     bedeutet, dass die Zentralbank die Möglichkeit hat, kurzfristige Staatsanleihen am offenen Markt zu kaufen oder zu verkaufen
     und damit dem Bankensystem Geld zuzuführen oder zu entziehen. Dadurch wiederum verändert sich die Federal Funds Rate, die
     oft als Leitzins bezeichnet wird. Zu diesem Leitzins verleihen amerikanische Banken untereinander das Tagesgeld der Notenbank
     weiter. Er gibt unter normalen Umständen die Kreditkosten auf den verschiedensten Ebenen der Wirtschaft wieder und ist eines
     der effektivsten Steuerungsinstrumente der Notenbank.
    Und das funktioniert so: Nehmen wir an, die Notenbank befürchtet eine Überhitzung der Konjunktur und einen Anstieg der |196| Inflation. Um dies zu verhindern, verkauft sie kurzfristige Staatsanleihen im Wert von 10 Milliarden US-Dollar. Auf diese
     Weise entzieht sie dem Bankensystem effektiv Geld: Die Käufer der Anleihen stellen Schecks auf ihre jeweilige Hausbank aus,
     welche die Notenbank einlöst. Das Geld behält sie und nimmt damit 10 Milliarden US-Dollar aus dem Umlauf. Da Banken jedoch
     mit jedem bei ihnen angelegten Dollar weit größere Beträge weiterverleihen, hat sich das verfügbare Geld in Wirklichkeit um
     ein Vielfaches reduziert, sagen wir, um 25 bis 30 Milliarden US-Dollar.
    Somit hat die Notenbank die Geldmenge verknappt und die Kreditaufnahme effektiv erschwert, oder genauer gesagt hat sie die
     Kreditkosten erhöht. Geld gehorcht wie jede andere Handelsware den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Ist das Angebot geringer,
     kostet es mehr, sich Geld zu leihen. Die Zinsen steigen also, weil die Kreditgeber höhere Sätze verlangen können. Nichts anderes
     ist gemeint, wenn es in den Medien heißt, die Notenbank habe die Leitzinsen angehoben. In Wirklichkeit hat sie die Sätze nicht
     aktiv heraufgesetzt, sondern durch Offenmarktgeschäfte einen höheren »Zielsatz« angepeilt.
    Nehmen wir nun an, die Inflationsgefahr ist gebannt, und die Notenbank befürchtet nun, dass die Wirtschaft auf eine Rezession
     zusteuert. Also setzt sie ein niedrigeres Ziel für den Leitzins fest und pumpt wieder Geld in die Wirtschaft, indem sie kurzfristige
     Staatsanleihen aufkauft. Das Geld dazu nimmt sie buchstäblich aus der Luft. Die Notenbank stellt praktisch einen Scheck über
     10 Milliarden US-Dollar aus und gibt ihn den Verkäufern der Staatspapiere.

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