Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
ich weiß, was ich tun müsste, aber sobald ich allein zu Hause bin, ist das alte Muster einfach zu verlockend«, beschreibt es Miltenberger. »Wenn
mich jemand unterstützt, der mein Vorhaben kennt und sich einschalten kann, habe ich eher Erfolg. Es wäre zu peinlich, mich vor meiner Freundin oder meinem Partner vollzustopfen, die mir bei meinen Vorsätzen helfen wollen.«
Unterstützung bestärkt uns auch in unserer Motivation, nicht ins konditionierte Überessen zurückzufallen, fügt Miltenberger hinzu. »So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in der akuten, verstärkenden Situation zur Wehr setzen kann. Denn nun steht diese andere Person neben Ihnen, mit der Sie eine Abmachung haben. Es wird schwieriger, diese Abmachung zu brechen, wenn der andere bei Ihnen ist.«
Allerdings muss es die richtige Unterstützung sein, damit das System nicht gegen uns arbeitet und uns in genau dem Verhalten unterstützt, das wir ablegen wollen. Das New England Journal of Medicine veröffentlichte einen Bericht, der belegt, dass soziale Netzwerke Fettsucht auch Vorschub leisten können. [Ref 207] Wenn Freunde, Geschwister und der Partner starkes Übergewicht auf die Waage bringen, steigt das Risiko, ebenfalls fettsüchtig zu werden. Falls das Unterstützernetzwerk also die eigenen Ziele eher unterminiert, sollte man sich lieber allein auf den Weg machen.
Die richtige Unterstützung jedoch kann sehr hilfreich sein. Zum einen kann schon die soziale Einbettung an sich ein »Ersatzverhalten« oder gar eine Belohnung darstellen. Außerdem reduziert sie die Angst, die mit dem Aufgeben alter Verhaltensweisen und der Ambivalenz einhergeht, wenn man plötzlich Nein sagt. Zudem kann uns die Vorstellung, Menschen zu enttäuschen, die wir lieben, oder die Missbilligung von jemandem ertragen zu müssen, der uns helfen will, im Zaum halten.
33 | Neue Regeln einüben
Das Grundproblem beim konditionierten Überessen ist der impulsive Charakter dieses Verhaltens. Weil konditionierte Hyperesser so stark auf die Hinweisreize reagieren, die von Nahrung ausgehen, treffen sie ihre Entscheidung »Essen oder Nichtessen« oft im Bruchteil eines Augenblicks. Gegen dieses chaotische Verhalten kommt man nur mit Regeln an, die davor schützen sollen, dass der Reiz greift.
Regeln helfen, die Schritte zur Verhaltensänderung wirklich zu gehen. Mit ihrer Struktur sind wir bei Begegnungen mit verlockenden Reizen gewappnet und können uns auf etwas anderes konzentrieren. Mit ihrer »Top-down«-Orientierung, die vom Bewusstsein ausgeht, stehen Regeln im Gegensatz zur reflexhaften »Bottom-up«-Reaktion, die sonst konditionierte Reaktion diktieren. Regeln sind uns bewusst. Sie lassen sich in Worten ausdrücken. Wir können darüber nachdenken und sie in neuen Situationen anwenden.
Wir wissen, dass wir nichts essen sollten, was viel Zucker, Fett und Salz enthält, wenn wir abnehmen möchten, genau wie uns klar ist, dass wir nicht rauchen oder zu viel Alkohol trinken sollten. Allerdings ist derart abstraktes Wissen schwer umzusetzen. Zu wissen, was richtig wäre, reicht nicht aus.
Deshalb müssen wir eine Reaktion einplanen, mit der wir uns gegen reizvolle Lebensmittel wappnen, die uns zu konditioniertem Überessen verleiten. »Das schützt Sie vor den Automatismen, die permanent durch Ihre Umgebung ausgelöst werden, ohne dass Sie etwas dagegen tun können«, erklärt Walter Mischel von der
psychologischen Fakultät der Universität Columbia. [Ref 208] Er befasst sich mit Fragen zu Persönlichkeit und Selbstregulierung. »Ein Plan verknüpft bestimmte Möglichkeiten mit gezieltem Handeln.«
Die Vorbereitung auf Situationen, in denen wir tatsächlich auf solche Speisen treffen, ist viel nützlicher als jeder gute Vorsatz (»Ich sollte keine fettreichen Speisen mehr essen«). Ganz konkrete »Wenn-dann«-Überlegungen haben ihren Sinn. Es geht darum, für riskante Situationen einen Gegenbefehl parat zu haben: »Wenn mir so ein Reiz begegnet, lenke ich meine Reaktion in diese neue Richtung.«
»Wer solche Regeln im Kopf hat, ist eher darauf vorbereitet, was er tun sollte«, so Kevin Ochsner. [Ref 209] Sind wir nämlich erst einmal in Schwung gekommen, weil die emotionale Wucht des Reizes einsetzt, fällt das viel schwerer.
Regeln funktionieren teilweise, weil sie uns eine Alternative zu einer konditionierten Reaktion geben und uns zwingen, »einen Weg einzuschlagen, der mit dem gewohnheitsmäßigen Handeln unvereinbar ist«, erläutert Matthew State von
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