Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
verknüpfen wir mit den Reizen sehr positive Assoziationen«, erklärt Philip David Zelazo von der Universität Toronto. [Ref 214] Wir können ein Stück Kirschkuchen betrachten, uns nur eine Eigenschaft davon vorstellen–den köstlichen Geschmack –und beschließen, dass das etwas ist, was wir wollen.
Doch laut Zelazo können wir auch etwas viel Komplexeres wahrnehmen. »Ein Stück Kirschkuchen lässt sich aus unendlich vielen Blickwinkeln betrachten. Welchen Reiz es letztlich auf uns ausübt, hängt von unserer Aufmerksamkeit, unseren Erinnerungen und unseren Erwartungen ab.« Wenn wir solche Dimensionen bewusster wahrnehmen, kann das Stück Kuchen ganz anders aussehen.
Um unser Verhalten zu verändern, müssen wir unsere emotionale Einstellung zu Leckereien verändern. Das geht am besten, indem wir uns zunächst die Fähigkeit zugestehen, etwas als gut oder schlecht einzustufen. Wenn wir die Jagd nach Zucker, Fett
und Salz als etwas Schlechtes ansehen und das Verhalten, das uns dazu bringt, uns davon abzuwenden, als richtig gut, können wir eine Gewohnheit erfolgreich ändern.
Der Psychologe Arnold Washton malt mit der Geschichte von einem suchtkranken Medizinstudenten ein lebhaftes Bild, welche Gefühle mit alten Gewohnheiten einhergehen und welche Herausforderung das Umlernen darstellt. [Ref 215] Als man den jungen Mann zum ersten Mal dabei erwischte, wie er bei der Arbeit Medikamente abzweigte, riet man ihm zu einer Rehabilitationsmaßnahme. Beim zweiten Mal wurde ihm erneut dringend geraten, sich in Behandlung zu begeben. Diesmal war damit die Warnung verbunden, dass er von der Uni flöge, wenn er noch einmal Substanzen stehlen würde.
Natürlich versicherte der junge Mann, dass er unbedingt seinen Doktor machen und Arzt werden wollte. Es wäre sein größter Traum, sein Lebensziel, von dem sein ganzes Selbstwertgefühl abhinge. Aber dennoch griff er ein drittes Mal zu. »Offensichtlich war der verstärkende Wert, der von den Drogen ausging, für ihn noch immer weitaus höher als die Verstärkung, die von seiner Karriere ausging.«
Ein solches Verhalten zu ändern erfordert geradezu heldenhafte Bemühungen, wie Washton einräumt. »Letztlich kommt es darauf an, wie jemand die Bedeutung eines Reizes einstuft«, erklärt er. »Dabei lässt sich eine stark positive Einstufung durch eine andere ersetzen–von ›Das wird fantastisch‹ zu ›Das ist das Ekelhafteste auf der Welt; damit will ich nichts zu tun haben‹.«
Wenn man anfängt, einen bekannten Reiz neu zu bewerten, schützt man sich vor dem Zwang, der davon ausgeht. Negative Assoziationen, die manchmal auch als Gegen- oder Neukonditionierung bezeichnet werden, haben sich zum Beispiel bei der Raucherentwöhnung
bewährt. In den letzten zehn Jahren haben viele Erwachsene gelernt, Zigaretten in einem neuen Licht zu sehen. Sie gelten nicht mehr als chic und sexy, sondern als ekelerregend und tödlich. Ein Kollege verriet mir, dass er immer, wenn er in Versuchung gerät zu rauchen, seine Nase in ein Glas voller alter Zigarettenkippen steckt und tief einatmet. Die negativen Assoziationen, die damit einhergehen, helfen ihm, von der abstrakten Erkenntnis, dass Rauchen schlecht für seine Gesundheit ist, zu dem tief empfundenen Verständnis zu gelangen, dass Zigaretten kein Freund, sondern ein verhasster Feind sind.
»Damit erhält das Rauchen für ihn gefühlsmäßig einen so negativen Beigeschmack, dass schon der Gedanke an eine Zigarette abstoßend wirkt«, erklärt Walter Mischel. [Ref 216] »Die Vorstellung aktiviert negative Gefühle und Gedanken. Deshalb wird das Gehirn ihn wahrscheinlich aktiv davon weglocken.«
»Wir ermuntern unsere Patienten, das Band bis zum Ende abzuspielen«, so Arnold Washton. »Die kognitive Strategie dahinter ist die immer genauere Erkenntnis, wann man sich beglückt an etwas erinnert und selektiv nur die guten Seiten wahrnimmt. Anschließend spielt man die Szene in Gedanken bis zum Ende durch und sagt sich: ›So geht es weiter. Zwei Minuten fühle ich mich prächtig, und danach geht es mir grässlich.‹«
Gleichzeitig müssen wir dem neuen Verhalten einen emotionalen Wert beimessen, der eine eigene Belohnung mitbringt. »Solange unsere innere Wahrnehmung noch nicht signalisiert, dass ein Leben ohne bestimmte Substanzen sich mehr lohnt als ein Leben mit diesen Substanzen, ist keine dauerhafte Veränderung zu erzielen«, warnt Washton.
Mischel ist derselben Meinung. »Der Mensch fühlt sich zunehmend besser, wenn
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