Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
er nicht raucht. Rauchen erscheint dann eher
abstoßend als angenehm.« Lebensmittel können vielleicht nicht so leicht abstoßend werden wie Zigaretten, doch ich selbst finde extragroße Portionen mittlerweile geradezu ekelerregend.
Hinweise auf Lebensmittel mit viel Zucker, Fett und Salz erzeugen emotionale Spannung–eine Art psychisches Jucken–, und Essen kann diese Spannung lindern. Die wiederholte Belohnungserfahrung und das damit verbundene Lernen machen Essen zur automatisierten Belohnung.
Mit der Zeit aktivieren solche Assoziationen automatisch eine positive Erinnerung, erläutert Russel Fazio, Psychologieprofessor an der Ohio State University. [Ref 217] Er erforscht schwerpunktmäßig die Herausbildung und Entwicklung menschlicher Einstellungen. »Die automatisch aktivierte positive Haltung ist der Ausgangspunkt für Wahrnehmungen und Werturteile.«
Raucher wissen, wie schädlich Zigaretten sind. Ebenso wissen stark Übergewichtige, dass frittierte Speisen zu ihrem Gewichtsproblem beitragen. Beides beeinflusst jedoch nicht unbedingt ihre automatische Reaktion. Dazu gehört nämlich noch die entsprechende Motivation und Gelegenheit. »Mit der richtigen Motivation kann der Einzelne die Wucht der automatisch aktivierten Einstellung überwinden, aber das ist mühsam und belegt Ressourcen im Gehirn«, erklärt Fazio. »Unsere Ressourcen werden vom Alltag häufig schon so stark beansprucht, dass wir es einfach nicht mehr fertigbringen, uns auch noch für die aktive Überwindung von Impulsen aufzuraffen.«
Um unsere Assoziationen zu einem Reiz zu verändern, müssen wir in der Frage seiner Bewertung zum »Direktangriff« übergehen,
wie Fazio sagt. In seinen Untersuchungen setzte er die Teilnehmer visuellen Informationen aus, die in ihrem Gehirn neue Zuordnungen erzeugen sollen. Das ist dasselbe, als wenn eine Werbeagentur einen Olympiateilnehmer mit Sportschuhen oder eine attraktive Frau mit neuer Technologie in Verbindung bringt. »Auf diese Weise ändert sich tatsächlich unsere automatisch aktivierte Einstellung«, beobachtet er.
Wer seinen Drang zum Überessen also dauerhaft zähmen will, muss auf ähnliche Weise umdenken. »Wenn jemand mit seiner Diät erfolgreich ist, glückt es ihm irgendwann, dass die Reaktion auf ein Stück Schokoladenkuchen negativ ausfällt«, so Fazio.
»Und wie kommt man so weit, dass der Zucker nicht mehr als Verstärker wirkt?«, möchte ich wissen.
»Das ist eine Frage der Objektkonstruktion. Jeder weiß, dass Schokoladenkuchen eine Kalorienbombe ist und während einer Diät nicht auf den Teller kommen sollte. Nun geht es darum, dass diese Einstufung mehr Gewicht hat als die gegenläufige Einstufung als köstliche Belohnung.« Das Ziel ist die Ausmerzung der erlernten Assoziationen, die uns ermuntern, uns eine Belohnung in Form von Zucker, Fett und Salz zu sichern. Stattdessen brauchen wir neue Assoziationen, die uns von den anderen ablenken, wie die Experten immer wieder betonen. James Lackman spricht davon, dass wir die Einladungen an das Gehirn ausschlagen. Verhaltenspsychologen reden von Neukonditionierung, und Kevin Ochsner will die Wertschätzung für bestimmte Reize verändern. Washton konzentriert sich auf die Veränderung der kognitiven Wertung, und in der Psychologie ganz allgemein kennt man das Konzept als dauerhaft veränderte Wahrnehmung.
Gemeint ist im Grunde immer dasselbe: Einen Reiz auf neue Weise betrachten. Wie uns dies gelingt, ist individuell verschieden.
Bei mir ging es darum, große Portionen anders wahrzunehmen. Früher dachte ich, ich bräuchte einen großen Teller voll Essen, damit es mir besser geht. Inzwischen sehe ich diesen vollen Teller als das, was er ist–lagenweise Fett auf Fett auf Zucker auf Fett, das niemals auf Dauer satt und zufrieden macht, sondern mich nur immer wieder neu ködert. Dank dieser veränderten Wahrnehmung machen große Portionen einen ganz anderen Eindruck auf mich als bisher. Ich habe den Belohnungswert des Reizes verändert.
Wenn wir auf dieser Information aufbauen und gegen konditioniertes Überessen vorgehen wollen, müssen wir zwei Grundprinzipien verstehen und begreifen, wie sie miteinander verknüpft sind.
Erstens ist uns jetzt klar, dass Hinweisreize uns automatisch handeln lassen. [Ref 218] Sobald die Verbindung zwischen den Hinweisen auf Lebensmittel und einer emotionalen Belohnung sich im Gehirn festgesetzt haben, ziehen bestimmte Speisen mit hohem Belohnungscharakter unsere Aufmerksamkeit auf
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