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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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sagte Indrani, »und dann … haben sie sich einfach hingelegt …« Sie keuchte und drückte das Baby an sich, bis es schrie.
    Stolperzunge sah Wärter, die neben den anderen lagen. Die Waffen waren ihnen aus den Händen gefallen, und ihre Gesichter hatten einen friedlichen Ausdruck. »Aber sie können uns doch nichts mehr antun. Wir steigen einfach über sie hinweg …«
    »Wir wissen nicht, was sie getötet hat und ob sie wirklich tot sind.«
    »Wir sollten sie wenigstens nach Nahrung oder Waffen durchsuchen«, schlug er vor. »Lass mich hinausgehen. Ich werde es früh genug bemerken, falls sich irgendjemand oder irgendetwas nähert. Dann kehre ich sofort in den Wagen zurück.«
    »Du verstehst nicht«, sagte Indrani. »Erinnerst du dich an den seltsamen Rauch, mit dem die Elite uns betäuben wollte?«
    »Oh«, sagte er. »Oh!«
    »In schlechter Luft kann man genauso ertrinken wie in Wasser.« Sie gab dem Wagen die Anweisung weiterzufahren.
    So viele Freiwillige , dachte Stolperzunge, als die Leichen aus seinem Blickfeld verschwanden. Und er dachte an die Oberflächenbewohner, die ihnen bald in den Tod folgen würden. Sie erhoben sich vor seinem geistigen Auge, und mit leblosem Blick betrauerten sie die empörende Verschwendung ihres Lebens und ihres Fleischs. Sie schrien ihn an, sie weinten und flehten.
    »Du zitterst«, sagte Indrani. »Was ist los mit dir?«
    Es war Wut auf die Herrscher, die ihr Volk im Stich ließen und es gleichzeitig mit Lügen trösteten, dass die Rettung kurz bevorstand. Ein Anführer sollte mit denselben Risiken leben, denen sein Stamm ausgesetzt war. Sich zu verstecken, während andere gejagt wurden, war etwas, das sein Bruder tun würde. Nein, schlimmer! Wenigstens sorgte Wandbrecher mit seinen Plänen dafür, dass alle zu essen hatten.
    »Stolperzunge?«
    Er blickte zu seiner Frau auf. »Glaubst du, dass du die große Sphäre fliegen kannst?«
    »Das Kriegsschiff? Wahrscheinlich … Aber sie haben bereits einen Piloten. Sie …«
    Er nahm ihre freie Hand und sah ihr in die Augen. »Dann werden wir es stehlen«, sagte er.
    »Was? Bist du verrückt geworden?« Indrani versuchte sich ihm zu entziehen, aber er war stärker und verzweifelter.
    »Eure Häuptlinge haben es nicht verdient, Indrani. Sie tun genau das, was die Deserteure getan haben, und dafür sollten sie auf dieselbe Weise bestraft werden. Wir werden sie aus diesem Schiff werfen und es mit Menschen von der Oberfläche beladen, falls sie noch am Leben sind! Wenn nicht, suchen wir hier oben nach Leuten, die es verdient haben. Nach jungen Leute. Nach solchen, die nicht wie Dharam sind.«
    »Aber wir hätten keine Hoffnung. Wir …«
    »Wir würden den Stamm retten. Wie wir es versprochen haben, Indrani. Wie du es versprochen hast. Die anderen würden uns lieber tot sehen. Das weißt du. Ganz gleich, was sie dir erzählt haben, früher oder später werden sie eine Möglichkeit finden, uns zu töten. Auch das Baby, Indrani. Auch Flammenhaar.«
    Sie sackte in sich zusammen.
    »Die Götter mögen mir beistehen«, flüsterte sie. »Du hast recht … Ja, natürlich, wenn wir den Stamm retten könnten … Aber diese Leute sind bewaffnet, Liebster. Vielleicht sind sogar einige Elite-Angehörige dabei. Ich weiß nicht, wie wir das schaffen sollen.«
    Stolperzunge grinste. Plötzlich fühlte er sich leicht, kräftig und wunderbar. »Auf jeden Fall wissen wir von diesen Leuten, dass sie große Angst um ihr Leben haben. Und sie fürchten sich vor Wilden.«
    Indrani nickte und erwiderte schließlich sein Grinsen. »Ich glaube, ich weiß, wo wir einen dieser Wilden finden könnten. Wenn er einige Mitglieder der Kommission gefangen nehmen und ihnen drohen kann, sie aufzuessen …?«
    Beide lachten und umarmten sich, während sich das Baby protestierend zwischen ihnen wand.
    Ihre gute Laune wurde gedämpft, als sie an den folgenden Haltestellen wieder nur Leichenhaufen sahen. Schließlich erreichten sie eine Station, wo die Beleuchtung noch funktionierte. Doch hier waren überhaupt keine Menschen zu sehen. Es war wie das Paradies, das sich der Mann gewünscht hatte, der sie am Vortag ein Stück im Wagen begleitet hatte – ein Sektor, in dem man niemals von irgendwem angerempelt würde.
    »Können wir hier aussteigen?«
    Indrani biss sich auf die Lippen und wiegte das Baby. Mit dem Kind in den Armen war es ein seltsamer Anblick. Als hätte sie Stolperzunge auf dem Weg in das Erwachsenenleben überholt. An ihrer Seite fühlte er sich gar nicht

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