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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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erlauben. Er musste sich besser beherrschen. Er biss sich so fest auf die Unterlippe, dass sie blutete, dann trat er vorsichtig hinaus. Von hier aus konnte er den Platz überblicken, der im unerbittlichen Licht des Daches lag.
    Kurz darauf erspähte er die humpelnde Gestalt von Yama. Er bewegte sich so schnell, wie es seine verheilende Wunde gestattete. Der Junge war überheblich, doch an seinem Mut hatte es nie den geringsten Zweifel gegeben. Er hatte sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet. »Was ist, wenn ihre Ohren so gut sind, dass sie es sogar bemerken, wenn jemand nur so tut, als würde er humpeln? Sie werden aufmerksam auf Betrügereien achten, aber meine Narben kann ich nicht vor ihnen verbergen, oder?«
    Als Yama näher kam, blickte er kein einziges Mal dorthin, wo sich seine Kameraden versteckten. Guter Mann , dachte Stolperzunge. Endlich lernte der Junge, den Vorfahren sei Dank.
    Wenige Herzschläge später rührten sich die Schatten in der Gasse, durch die Yama soeben gerannt war. Eine Stimme, die das menschliche Ohr eigentlich nicht hätte wahrnehmen dürfen, sagte: »Die Jagd erfordert Stille zum Zuhören.«
    »Nein«, sagte eine andere »Stimme«, die vom Sprecher übersetzt wurde. »Jagd erfordert Geschwindigkeit! Es flieht allein.«
    »Dieser hat zwei von ihnen gehört«, warf die erste Stimme ein.
    »Zwei, ja, aber einer ist stark genug, um zu entkommen. Ein zweiter wird für uns zurückgelassen und wartet auf unsere Klauen. Wir dürfen es nicht durch Verzögerung verweigern.«
    Stolperzunges Augen hatten sich gut genug ans Licht gewöhnt, um nun die drei Vierbeiner zu sehen, die im Schatten einer Mauer die Schnauzen aneinanderdrückten. Sie gaben keinen Laut von sich, aber der Sprecher übermittelte ihm, was vielleicht nur ihre Gedanken waren oder eine Sprache, die ausschließlich aus Gerüchen bestand. Wer konnte das schon sagen? Sein verhasster Bruder Wandbrecher hätte es vielleicht in Erfahrung gebracht, aber Stolperzunge war ihm vor langer Zeit entkommen und hoffte, ihn nie wiederzusehen.
    In der Gasse, durch die Yama gerannt war, krachte ein großer Stein zu Boden, und jemand schrie vor Schmerz oder Angst auf. Sofort trennten sich die Vierbeiner und stürmten zum Ursprung des Lärms. Sie rannten auf allen vieren, und mit jedem Schritt rissen ihre Krallen Erde und Moos aus der alten Straße. Vishwakarma stand etwas zu früh auf, aber die Bestien schienen es bei ihrem Ansturm nicht zu hören. Stolperzunge wartete, bis der Letzte von ihnen in der Gasse verschwunden war. Dann rief er: »Jetzt!«
    Überall auf dem Platz tauchten Menschen aus ihren Verstecken auf. Fast die Hälfte der kampffähigen Männer und Frauen des Stammes waren heute draußen – ein schrecklich hohes Risiko. Aber dies sollte keine gewöhnliche Jagd werden, hier ging es nicht nur um Nahrung. Sie hatten einen größeren Plan.
    Mithilfe der Vorfahren würden die Vierbeiner feststellen, dass ihre humpelnde Beute in eine Sackgasse gelaufen war. Vishwakarma war eine Strickleiter hinaufgeklettert und hatte sie anschließend nach oben gezogen.
    »Rein!«, rief Stolperzunge. »Alle in die Netze! Benutzt eure Keulen, nicht die Speere! Die Keulen!«
    Und das war der Moment, in dem alles schiefging.
    Ein lautes Krachen ertönte, gefolgt von Entsetzensschreien der Menschen, die er auf den Dächern entlang der Gasse platziert hatte. Ein komplettes Haus neigte sich zur Seite, wie ein Verwundeter, der langsam zu Boden ging. Dann stürzte es in einer Explosion aus Staub und umherfliegenden Splittern in sich zusammen.
    Stolperzunge sah, wie die drei Bestien aus der Staubwolke genau auf ihn zukamen, immer noch auf allen vieren. Zumindest versuchten sie es. Eins der Wesen hatte ein Vorderbein angezogen, damit es nicht den Boden berührte, und Blut aus einer Kopfwunde tropfte ihm in die Augen. Stolperzunge war klar, dass es ihm ausweichen musste, um zu entkommen. Er holte mit der Keule aus, doch dann stürmte das verwundete Wesen genau auf ihn zu, rammte ihn und riss ihn zu Boden.
    »Die Schmerzen!«, heulte es. Doch es war wieder auf die Beine gekommen, bevor einer der Menschen reagiert hatte. Danach konnten sie nur noch Steine schleudern, von denen jedoch keiner traf.
    »Helft mir«, schrie jemand vom Trümmerhaufen in der Gasse. Nachdem sich der Lärm gelegt hatte, wurden weitere Stöhnlaute hörbar.
    »Ich bin verletzt«, rief Vishwakarma, dem Blut über das Gesicht lief. »Ich glaube … ich glaube … Bei den Göttern, bei den

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