Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
zutiefst beglückt, dass Mama sagte: „Der weiß etwas, was wir nicht wissen.“Und uns beiden war klar: „Das ist der Grund, weshalb wir in Indien sind!“
Die darauf folgenden Jahre habe ich damit verbracht herauszufinden, was dieser Mann wusste.
CHARAN DAS
TIZIANO: Als ich zum ersten Mal nach Benares kam - ich musste einen Artikel schreiben, worüber, weiß ich nicht mehr -, saß ich mit Dieter Ludwig in einem fast leeren Flugzeug. Außer uns gab es nur noch einen dicken fünfunddreißig jährigen Rucksacktouristen mit Schirmmütze, offensichtlich ein Amerikaner, und seine Frau. Irgendwann kamen wir ins Gespräch.
„Wohin fahrt ihr?“
„Wir bringen Sam nach Benares.“
Ich blickte mich erstaunt um, konnte aber sonst niemanden entdecken. „Wer ist denn Sam?“
„Ach, Sam ist da drin.“Er deutete auf ein Kistchen unter seinem Sitz, in dem Sams Asche lag.
Sam war der Erbe des Tabasco-Imperiums - Tabasco-Sauce, weißt du? -, er hatte Indien und die Meditation geliebt und seine beiden Freunde gebeten, im Fall seines Todes seine Asche nach Benares zu bringen und in das heilige Wasser des Ganges zu streuen. Die beiden waren noch nie in Indien gewesen und hatten keine Ahnung, wie man so etwas machte.
Zufällig stiegen wir im selben Hotel ab, und dort trafen wir Charan Das. Er war ein junger amerikanischer Sadhu und gut mit dem Guru Katya Baba befreundet - dem Leiter eines akhara, eines parambara , wie heißt das gleich wieder? -, der einen hölzernen Keuschheitsgürtel mit Ketten trug. Zu ihm führte uns Charan Das. Wir erläuterten ihm Sams Anliegen, und Katya Baba begriff sofort, dass dabei etwas für ihn herausspringen würde.
FOLCO: Kohle?
TIZIANO: Na klar! Also sagte er: „Kein Problem, gleich morgen bei Sonnenaufgang führen wir die Zeremonie durch.“
Es war beeindruckend, das muss ich wirklich sagen. Es war einer jener Morgen, wo dichter Nebel über dem Ganges liegt, der sich allmählich hebt und einer herrlichen Sonne weicht. Wir saßen in einem Boot voller Sadhus, die unter der Leitung von Katya Baba mit seinem riesigen Keuschheitsgürtel begannen, mit ihren Töpfchen und Blumen zu hantieren … Die Krönung des Ganzen war, als die Urne geöffnet und die Asche des Tabasco-Sprosses in den Fluss gestreut wurde. Wir nannten es „die Würzung des Ganges“!
Er lacht.
Später wurde es zu einer regelrechten Mode, die eigene Asche in den Ganges streuen zu lassen, inzwischen tun das jeden Monat Dutzende von Menschen aus der westlichen Welt mit der Asche ihrer Lieben. Und die Inder mit ihrer unglaublichen Toleranz haben nichts dagegen.
FOLCO: Und wer war dieser Charan Das, der amerikanische Sadhu? Ein Anhänger von Katya Baba?
TIZIANO: Nein, er war damals schon ein freier Mann, ein selbständiger Sadhu. Ein äußerst liebenswürdiger Mensch. Immer hatte er ein Lächeln auf den Lippen.
FOLCO: Woher kam er denn?
TIZIANO: Er erzählte, er sei der Sohn eines Ölmagnaten aus Texas. Er hatte Indologie studiert und war ursprünglich nach Indien gekommen, um seine Kenntnisse in Hindi und Sanskrit zu vertiefen, aber nach einer Weile war er ausgeflippt und Sadhu geworden. Bereits seit fünfzehn Jahren wanderte er nun schon durchs Land, auf seinen ungeheuer großen Füßen mit weit auseinander stehenden Affenzehen, die eine Mutation durchgemacht zu haben schienen und mit so dicker Hornhaut überzogen waren, dass er über glühenden Asphalt, Scherben und sonst was gehen konnte. Seine Haare waren verfilzt, er trug eine dicke Brille und lachte immer. Er war auch mal bei uns zu Hause.
FOLCO: Ja, ich erinnere mich. Mama war damals noch nicht an die halbnackten Gestalten gewöhnt, die du manchmal mitbrachtest.
TIZIANO: Mit Charan Das fuhren wir dann auch in die Ebene von Kurukshetra nördlich von Delhi, wo in alten Zeiten die große, im Mahabharata geschilderte Schlacht stattgefunden hatte. Es war nicht nur der Jahrestag jener Schlacht, sondern gleichzeitig wurde auch eine totale Sonnenfinsternis erwartet, wie es sie in Indien seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gegeben hatte.
Dort, Folco, sah ich zum ersten Mal Unmengen von Sadhus, Zehntausende. Aus ganz Indien waren sie angereist und saßen dort auf dem Boden, jeder mit einem Dreizack, um sein Territorium zu markieren. Es war unser erstes Jahr in Indien, und diese Fülle bunter Gestalten beeindruckte mich tief. In Delhi gab man brave Cocktailpartys, immerzu „Yes, Madam“und so weiter, aber daneben existierten eben auch Tausende von ausgeflippten
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