Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Geschichte atmenden Gebäuden jahrelang mit großen Fragen befasst zu haben, um hinterher an einem Computer Geldströme zu verwalten, erschien mir wie ein Sakrileg.
Um gut zu leben, ist es doch nicht nötig, morgens ins Büro zu gehen, den Computer einzuschalten und die Bewegung eines Blobs zu verfolgen, das über den Bildschirm wandert und für ein Schiff mit Quecksilber steht, das auf dem Weg nach Nordkorea ist, aber noch unterwegs die Route ändert, weil du es bereits für den doppelten Preis nach Burkina Faso weiterverkauft hast. Was ist das nur für ein Leben, bitteschön?! Das erklärt auch die Frustration vieler junger Leute von heute: Die Intelligentesten unter ihnen machen genau solche Dinge!
FOLCO: Du meinst, sie machen Geld?
TIZIANO: Sie machen Geld auf diese Weise. Weißt du, wenn einer dadurch reich wird, dass er nach Jahren des Studiums alter Dokumente die Goldmine König Salomons entdeckt oder eine untergegangene Galeone ortet und zwanzig Tauchgänge unternimmt, um sie zu finden, dann soll er ruhig reich werden! Das hat etwas Schönes und Abenteuerliches. Aber sich im Neonlicht einer Finanzholding zu bereichern?
FOLCO: Ich weiß noch, wie du unserem Freund Giacomo, der so phantastisch ohne Sauerstoffgerät tauchen konnte, bei seiner Examensfeier zugeredet hast, im Meer alten spanischen Galeonen nachzuspüren.
TIZIANO: Und dieser andere, dessen Mutter unbedingt wollte, dass er Rechtsanwalt in Mailand würde? Dem sagte ich: „Das kann doch jeder! Studier lieber Arabisch.“Ich hatte das Gefühl, das sei eine Welt, in der sich etwas Neues tat, was sich zu studieren lohnte. Wäre ich damals jung gewesen, hätte ich das sofort gemacht. Und du musst zugeben, Folco, dass das fast ein wenig prophetisch war. Wen kümmerten damals schon die Muslime? Dein Freund ist dann tatsächlich nach Kairo gegangen, um Arabisch zu studieren, und heute ist er Diplomat.
Da sieht man es wieder: Du entscheidest dich für einen bestimmten Schritt, und danach setzt du einen Fuß vor den anderen. Worauf es ankommt, ist, den ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen, denn jeder Schritt führt zum nächsten und zu einem richtig großen. Ein guter Anfang hilft da sehr.
Mir war es immer wichtig, euch mit dem Andersartigen zu konfrontieren. Weißt du noch, was ich dir zum Examen geschenkt habe? Eine Woche in Angkor. Ich wollte dir diese im Dschungel verborgenen Tempel zeigen, damit du eine Ahnung von menschlicher Größe bekamst. Einen Führer brauchten wir dazu nicht, aber wir heuerten einige Soldaten des neuen kambodschanischen Regimes an, um uns vor den Banditen und den Minen zu schützen, die damals noch die Gegend unsicher machten. Du maltest zwei schöne Aquarelle der Buddhas zwischen den Lianen. Als wir an jenem Abend ins Hotel zurückkamen, sprachen wir über die Jugendlichen von heute, die so unsicher sind, die nicht wissen, was sie tun sollen, und keine Arbeit finden. Ich weiß noch genau, wie ich sagte: „Entschuldige mal, wenn einer, der so malen kann wie du, sich eine Auszeit nehmen will, braucht er doch nur nach Angkor Wat zu gehen, richtig aquarellieren zu lernen, Tempel zu malen und sie dann den Touristen in Hongkong zu verkaufen. Und schon hat er eine Arbeit gefunden!“
Seine Arbeit muss man sich erfinden!
Wenn du natürlich eine dreitägige Pauschalreise inklusive Touristenführer buchst, heute Kompong Tom, morgen den Tempel der Apsaras und übermorgen Angkor Wat besichtigst, ein paar Fotos knipst, ein Video aufnimmst und dann wieder nach Hause fährst, kommst du an genau denselben Punkt zurück, von dem aus du losgefahren bist, und dir bleibt wenig oder nichts davon. Da draußen liegt eine ganze Welt, du brauchst sie nur zu entdecken wollen. Hauptsache, du buchst nicht mit „Fernreisespaß weltweit“!
In Kambodscha habe ich dich auch mit der Organisation Ärzte ohne Grenzen bekannt gemacht, jungen Leuten wie du, die nicht ins Büro gingen, um Geldströme umzuleiten, sondern ihr Skalpell einpackten und losfuhren, um Erfahrungen zu sammeln, die auch für sie selbst wichtig waren. Überleg doch mal, Chirurg zu werden und im Krieg dein Leben aufs Spiel zu setzen, um anderen Menschen zu helfen! So sollten die Ideale der Jugend sein. Ich wollte nicht, dass du zu Ärzte ohne Grenzen gehst, aber du solltest wissen, dass es so etwas gibt.
Die Verzweiflung vieler Jugendlicher liegt daran, dass sie die Augen nicht aufmachen. Dabei gibt es jede Menge zu tun! Und viele engagieren sich ja auch freiwillig
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