Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
kann man wohl sagen. Das war ihr Unabhängigkeitskrieg, verstehst du? Schon immer haben sich die Vietnamesen gegen jeden Versuch gewehrt, ihre Halbinsel zu vereinnahmen. Vietnam liegt im chinesischen Einflussbereich, musst du wissen, auch die Sprache ist ein chinesischer Dialekt, bloß die Schrift ist europäisch, das hat ein französischer Missionar damals durchgesetzt. Nur in den vietnamesischen Tempeln sind chinesische Schriftzeichen zu sehen, denn sie sind den Weisen und Gelehrten vorbehalten. In den Mythen der Vietnamesen aber geht es immer um Helden, die sich gegen das chinesische Kaiserreich aufgelehnt haben, und ihre Denkmäler erinnern an tapfere Männer, die im Kampf gegen die Chinesen umgekommen sind. Da gibt es tolle Geschichten, zum Beispiel die von dem großen vietnamesischen Admiral, der den Angriff einer chinesischen Flotte abwehrte, indem er in den Meeresboden Tausende von Pflöcke rammen ließ, deren Spitzen aber unter dem Wasserspiegel verborgen waren, sodass die Chinesen sie nicht sehen konnten. Und als sie kamen - paa! - liefen all ihre Schiffe auf. Schlau, was? Einzigartig, diese Vietnamesen, mit einem unglaublich starken Identitätsgefühl. Wie immer eigentlich, nicht? Um sich zu unterscheiden, streicht man seine Eigenheiten heraus.
Ende des 19. Jahrhunderts, im Zuge der Kolonialisierung, mit der der verfluchte Westen sich überall Ressourcen unter den Nagel riss, die ihm nicht zustanden, kamen dann die Franzosen - und in dem Moment, in dem ihre Schiffe in den Hafen von Hanoi einliefen, begannen die Vietnamesen zu schießen. Gleich am ersten Tag! Sie haben dann nie mehr aufgehört, nie, das muss man sich mal überlegen! Bis 1975, als der Vietnamkrieg zu Ende war.
1954 springen die Amerikaner, diese Heuchler, den Franzosen in Indochina nicht etwa bei, sondern warten ab, bis diese in Dien Bien Phu eine endgültige Niederlage erleiden und gedemütigt abziehen müssen. Dann übernehmen sie die Rolle des „weißen Unterdrückers“, aber auf ihre Weise: zunächst nicht mit Hilfe von Truppen, sondern durch ihren Neokolonialismus. Sie unterstützen ein westlich orientiertes Regime im Süden und bringen Kapitalismus und Konsumismus ins Land. Auf der Genfer Konferenz von 1954 war die Teilung von Vietnam und die Durchführung von Wahlen beschlossen worden, die Ho Chi Minh, der kommunistische Präsident Nordvietnams, haushoch gewonnen hätte. Die Amerikaner aber stützten das Regime im Süden und verhinderten auf diese Weise den natürlichen Verlauf der Geschichte.
Dazu muss man wissen, dass Kommunismus und Marxismus-Leninismus in Vietnam mehr noch als in China von den Nationalisten als ideologische Waffe für den Befreiungskampf eingesetzt wurden. Ho Chi Minh war in Paris zum Kommunisten geworden, als er begriff, dass der Marxismus-Leninismus, wie er in den besten Zeiten der Sowjetunion praktiziert worden war - in einem von großem Idealismus geprägten Moment, gleich nach der Revolution -, die Disziplin, die Härte, die ideologische Struktur liefern konnte, die sein Land und seine nationalistische Bewegung in diesem Moment benötigten. Die Vietnamesen als Kommunisten abzustempeln, ist deshalb ein gravierender Fehler. Sie waren vor allem Nationalisten . Das ist eine historische Tatsache, die viele meiner Kollegen nie begriffen haben. Sie hielten den Vietnamkrieg für eine Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und Antikommunisten, doch darauf darf man ihn nicht reduzieren. Es war vielmehr der letzte große Kampf um die Unabhängigkeit des vietnamesischen Volkes.
Die Unabhängigkeit kommt 1975 mit der Einnahme Saigons. Endlich erfüllt sich Ho Chi Minhs Traum von der Vereinigung und vor allem der Unabhängigkeit Vietnams. Es ist der Höhepunkt in der Geschichte des Landes. Dann kommen die üblichen Tragödien, die Verfolgung der Marionettenregierung und der Kollaborateure. Was ist da nicht alles passiert! Aber wenn man eines Tages mit Abstand auf die vietnamesische Geschichte zurückblicken wird, wird man erkennen, dass dieser Krieg der letzte Unabhängigkeitskrieg der Vietnamesen gewesen ist und dass sie mit der Niederlage der Amerikaner endlich die lang ersehnte Autonomie wiedererlangt haben.
FOLCO: Am Ende haben sie den Sieg davongetragen!
TIZIANO: Wie hätte es auch anders sein können? Die Amerikaner zählten doch nur die Tage, bis sie wieder nach Hause konnten, „fifty-three days and a wake-up“ . Während die Vietnamesen um ihre Heimat kämpften, wollten die Amerikaner nichts als zurück
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