Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
soviel hieß wie: Leider gibt es keinen Platz für dich.
Also habe ich mir mein Gehalt ausbezahlen lassen, einen Schlafsack eingepackt, den Mama aus einem Laken genäht hatte, damit ich bei Freunden übernachten konnte, und bin zu einer Rundreise durch Europa aufgebrochen, um alle großen Zeitungen abzuklappern: L’Express und Le Monde in Paris, den Manchester Guardian von Jonathan Steele in Manchester und am Ende, die Geschichte kennst du, den SPIEGEL in Hamburg . Als ich dort sagte, ich wolle nach Asien ziehen - tättärätäää! -, boten sie mir einen Vertrag als freier Mitarbeiter an. „Geh und schreib! Wir garantieren dir 1500 Mark im Monat.“
FOLCO: Und so hast du deinen Weg gefunden.
TIZIANO: Ja. Im Dezember 1971 ließ ich Mama vorläufig mit euch zwei Kleinen in Florenz zurück und reiste los nach Asien, ohne zu wissen, was mich dort erwartete.
VIETNAM
FOLCO: Heute Nacht habe ich Pelle di Leopardo zur Hand genommen, dein Buch über Vietnam. Ich hatte es noch nie gelesen und konnte es gar nicht mehr weglegen. Irgendwann habe ich den Hahn krähen hören und mir gesagt: „Ein bisschen muss ich wenigstens noch schlafen!“Du warst jung, als du nach Vietnam gegangen bist, so alt wie ich jetzt, aber das Buch ist schon richtig gut geschrieben. Und wirklich interessant.
TIZIANO: Ja, für jemanden von deiner Generation, der das alles nicht miterlebt hat, der vielleicht nicht einmal weiß, worum es da ging, ist das vermutlich, wie über den Ersten Weltkrieg zu lesen. FOLCO: Mich interessiert gar nicht so sehr der Krieg an sich, als das, was du auf deinem Weg erlebt hast: Wer warst du damals? Was hast du auf deinen Reisen gesehen? Und wie hat dich das verändert, wie bist du zu dem Menschen geworden, der du jetzt bist? Der Journalismus hat dir die Gelegenheit gegeben, die großen Ereignisse der letzten fünfzig Jahre zu beobachten und manchmal mitten drin zu sein. Und wie ein Detektiv, der kleinsten Indizien nachgeht, um den Mandanten eines geheimnisvollen, allgegenwärtigen Verbrechens aufzuspüren, bist du von den kleinen Ungerechtigkeiten um dich herum ausgegangen, um erst über die Politik, die Ursachen all dieser Kriege, den Fortschritt und schließlich über die Natur des Menschen an sich zu reflektieren. Diese Entwicklung finde ich so interessant, diese Reise des Lebens.
TIZIANO: Hm, das ist meine alte These: Wer das Leben der Ameisen erforscht, der begreift dabei die ganze Welt. Wenn man sich mit Leidenschaft, Liebe und Hingabe irgendeinem Thema widmet, ganz egal, welchem, dann lernt man dadurch, die Welt zu verstehen. Dazu braucht man gar nicht erst William Blake zu zitieren, „die Welt in einem Sandkorn sehen und die Ewigkeit in einer Stunde“. Das ist einfach so. Und mein Studienobjekt waren eben Vietnam, Indochina und überhaupt ganz Asien.
Für mich und meine Generation war Vietnam eine moralische Bewährungsprobe. Ich bin ja mit den Büchern der großen Schriftsteller aus der Generation unserer Väter aufgewachsen. Was hatte ich nicht für Vorbilder! Edgar Snow war in China gewesen, Hemingway und George Orwell im spanischen Bürgerkrieg - meine Herren, die waren doch ein Mythos für mich! Wenn ich die las, dachte ich: „Donnerwetter, so einer könnte ich auch sein!“Als ich dann die Gelegenheit bekam, nach Vietnam zu gehen, war das mein Spanien, mein Bürgerkrieg.
FOLCO: Du warst dreiunddreißig, als du nach Asien gingst.
TIZIANO: Ja. Und da ich nicht nach China konnte - das war unmöglich, China war dicht -, beschloss ich, mich mit der Familie in Singapur niederzulassen und von da aus nach Vietnam und Indochina zu fahren, um über den Krieg dort zu berichten.
Ich kann mich noch genau an die erste Nacht in Singapur erinnern - herrlich! Ich war in dem alten Arab Market abgestiegen, in einer Pension voller zwielichtiger Gestalten. Ah, wie ich so etwas liebte! Es gab mir das Gefühl, eine Figur aus einer ganz anderen Geschichte zu sein. Binnen zehn Tagen hatte ich eins der wunderschönen Häuser der Insel gemietet, ein klappriges Auto besorgt und ein Klavier für Mama. Und ein Büro.
FOLCO: In nur zehn Tagen?
TIZIANO: Ja. Kurz nachdem Mama mit euch beiden nach Singapur gekommen war, im Frühling 1972, begann die letzte Phase des Vietnamkriegs. Wir zogen in unser neues Haus, in Vietnam kam es zu einer Großoffensive und ich fuhr ab.
Das war der Beginn meiner Karriere. Und des interessantesten und für mich damals auch unterhaltsamsten Teils meiner Reise. Vietnam war eine unglaublich
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