Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Thailand begrub.
Der Traum gefiel mir, auch wenn ich ihn nicht verstand. Wie immer half mir deine Mutter, ihn zu deuten: Ich hatte mit meinem japanischen Ich abgeschlossen und war bereit, ein neues Leben anzufangen.
FOLCO: Was du dann auch getan hast.
TIZIANO: Ja, in Thailand begrub ich den Koffer mit meiner Leiche, machte einen ersten Schritt zurück in die Welt und lebte auf, auch wenn ich eine Weile dazu brauchte. Tatsächlich ist eine Krankheit immer auch ein Heilmittel.
FOLCO: Ohne deine japanische Niederlage hättest du den entscheidenden Sprung vielleicht nie geschafft. Doch kehren wir zum Schildkrötenhaus zurück.
TIZIANO: Allein die Geschichte dieses Hauses! Es hatte dem Biografen von Jim Thompson gehört, jenem Mann, der die thailändische Seide wiederentdeckt und damit eine ganze Industrie aufgebaut hatte. Thomson war ein amerikanischer Agent gewesen und eines Tages auf mysteriöse Weise im malaysischen Dschungel verschwunden, eine schillernde Figur, einer dieser Asiates, dieser Ausländer, die in Asien hängen geblieben sind und die mich immer fasziniert haben. Sein Biograf und enger Freund William Warren hatte jahrelang in dem alten Haus gelebt, das völlig von Termiten zerfressen war, und da er das Geld für Wartung und Reparaturen nicht aufbringen konnte, bot er es uns an.
Es war eine Oase! Wir wechselten alle großen morschen Balken aus, setzten die verfallenen Teile des Hauses wieder instand und bauten im Garten, in der Krone eines Mangobaums, ein Gästezimmer, zu dem man über eine Leiter hinaufkletterte. Hinten im Garten baute ich mir außerdem ein Häuschen mit einem kleinen Arbeitszimmer, durch das eine Palme wuchs, die ich nicht hatte fällen wollen.
Das Haus lag an einem Teich, der einst zu einem verästelten Netzwerk von später zugeschütteten Kanälen gehört hatte und in dem eine fast einen Meter lange, uralte, fleischfressende Schildkröte lebte. Anfangs wussten wir nichts von ihr, doch irgendwann kaufte ich ein paar Entenküken, die fröhlich auf unserem Teich herum schwammen.
„Komisch, gestern waren es noch sieben, und heute sind es nur noch sechs!“, sagten wir uns eines Morgens. Ein paar Tage später waren es nur noch fünf. Wir begriffen nicht, wo die Entchen abblieben, bis Mama und ich eines Morgens beim Frühstück in der salà , einem kleinen Holzpavillon über dem Wasser, ein schrilles Quaken hörten und in den riesigen aufgesperrten Rachen eines Ungeheuers blickten, der aus dem Wasser schnellte, sich schloss und - platsch! - mit einem Entchen unter Wasser verschwand. Nur ein paar Luftblasen waren noch zu sehen. FOLCO: Das war wirklich ein Miststück!
TIZIANO: So begann die wunderbare Beziehung zu unserer Schildkröte. Nun ließen wir morgens manchmal ein rohes Hühnerfilet an einer Schnur von der salà herabbaumeln und konnten mit ansehen, wie der eindrucksvolle Kopf der Schildkröte aus dem Wasser tauchte. Sie frühstückte mit uns und verschonte dafür die Enten.
In Bangkok gibt es einen herrlichen Markt, den Chatuchak, wo die seltsamsten Tiere und Vögel aus dem Dschungel im Norden des Landes verkauft werden. Dort verbrachte ich oft den Sonntagmorgen, und wenn ich wiederkam, rief ich: „Angela, wir haben Besuch!“
Dann luden wir die Kartons aus dem Auto, öffneten sie und ließen all die Tiere heraus. War das schön! Für die größeren Vögel baute ich eine Voliere, und für die kleineren fand ich ein paar herrlich geschnitzte Bambuskäfige. Wir besaßen auch eine Nachtigall, die jeden Abend wunderschön zu singen begann, kleine Papageien, die fürchterlichen Krach machten, und ein paar babets.
FOLCO: Welche waren das?
TIZIANO: Ich weiß nicht, wie man sie hier nennt, diese grünen Vögel mit dem merkwürdigen Ruf … Und dann die magpies.
FOLCO: Elstern?
TIZIANO: Nein, magpies haben einen gelben Schnabel und einen langen, blauen Schwanz. Und dann hatten wir einen … wie heißen die noch gleich? Einen Wiedehopf, diesen lustigen Vogel, der mit seinem langen Schnabel die Würmer aus der Erde holt. Da er mit seinem bunten Schopf wie ein Punk aussah, nannten wir ihn …
FOLCO: … Madame Punketti!
TIZIANO: Viele bekamen gleich bei ihrer Ankunft einen Namen. Hin und wieder gab es Dramen. Eines Morgens lagen alle Vögel eines Käfigs leblos auf dem Boden. Irgendwie hatten sich die Ratten aus dem Garten Zugang zum Käfig verschafft und sie tot gebissen.
Ich war damals bereits weitgehend Vegetarier, wenn auch nicht aus Achtung vor anderem Leben wie die
Weitere Kostenlose Bücher