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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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Hinausgehen fallen ließen. Eine richtig große Persönlichkeit habe ich nie getroffen, nie. Wirklich, Folco.
    Na ja, wenn ich wirklich ehrlich bin, muss ich sagen, dass mich Mutter Teresa sehr beeindruckt hat und sicherlich auch der Dalai Lama. Und dann gab es eine Reihe von Unbekannten, wie jener mongolische Mönch, der auf meine Frage, ob er Angst vor dem Tod hätte, ausrief: „Angst? Ich kann ihn kaum erwarten! Dieses Leben ödet mich an. Mich interessiert viel mehr, was im nächsten geschieht!“Ein paar solcher Leute habe ich schon getroffen, besondere Menschen, Einzelgänger. Aber große Persönlichkeiten? Die gibt es nicht mehr, die haben alle schon in der Schulzeit dran glauben müssen, wie einer unserer chinesischen Freunde immer lachend sagte. „Die chinesischen Solschenizyns sind bereits im Kindergarten gestorben.“Und ich glaube, er hatte recht: Zerstört durch die Schule, die Kultur, die Gleichschaltung.
    FOLCO: Und all die Künstler und Minister, Kommandanten, Helden, Revolutionäre und Anführer der Vietcong?
    TIZIANO: Eigentlich ist das doch schön. Ich lese meine eigenen Bücher und erinnere mich nicht einmal, von wem da die Rede ist! Alles vergeht …
    FOLCO: Aber diese Menschen haben doch ihr Leben aufs Spiel gesetzt und andere dazu animiert, für etwas zu sterben, woran sie glaubten!
    TIZIANO: Ja, ja, in dem Moment schon. Doch was bleibt davon übrig? Ein Friedhof. Staub und Asche.
    FOLCO: Gibt es unter allen Menschen, denen du begegnet bist, wirklich nur so wenige, die dir Eindruck gemacht haben?
    TIZIANO: Keinen einzigen.
    FOLCO: Merkwürdig, dass wirklich keiner … Nicht einmal der Alte im Himalaja, den du immer besuchen gingst, als du dort oben in den Bergen lebtest?
    TIZIANO: Doch, der Alte schon. Der hat mich beeindruckt.
    FOLCO: Also gab es doch jemanden!
    TIZIANO: Ich bin unzähligen Menschen begegnet, doch dann, ganz allmählich, habe ich mich davongemacht. Und auf dem Weg habe ich gemerkt, welche von meinen Vorbildern echt und welche falsch gewesen sind. Am Ende, ganz oben im Himalaja, hat mir dann ein Alter wie durch Zauberhand geholfen, für einen Augenblick zu schauen, was ich nie geschaut hatte. Und hast du das einmal geschaut, kannst du nicht mehr leben wie zuvor.
    Eigentlich eine schöne Reise, oder?
    FOLCO: Hm, sehr.
    TIZIANO: Und jetzt? Sieh dir meine Beine an!
    FOLCO: Dick geschwollen.
    TIZIANO: Den lass ich hier, diesen Körper.
    Er lacht.
    Eine Kerze zündet die nächste an. Die alte verlischt, die neue brennt. Und die gibt die Flamme weiter an die nächste …

REISE DURCH DIE ZEIT

    TIZIANO: Nach Mustang bin ich geritten. Ich suchte nach einem Ort, wo erst wenige Menschen gewesen sind.
    Dafür ist Mustang ideal, denn es liegt ganz einsam in den Bergen. Fünf Tage lang reitest du durch eine Natur, wie du sie noch nie gesehen hast, Folco. Sie wirkt wie eine Mondlandschaft mit lauter bunten Steinen und rotem Sand, rot vom Blut des Drachens, den Padmasambhava der Überlieferung nach tötete, als er den Buddhismus nach Tibet brachte. Ein magischer Ort, an dem sogar die Steine eine Seele haben. Manchmal entdeckst du in dieser Wüste einen stupa , das sind kleine Heiligtümer mit den Reliquien buddhistischer Heiliger, die an indische Mandir-Tempel erinnern, oder ein atemberaubend schönes Kloster, dessen mit Fresken geschmückte Wände Wind und Wetter ausgeliefert sind, oder eine geheimnisvolle Steilwand mit Höhlen, die angeblich von Eremiten bewohnt waren.
    Auf den gefährlichen Schotterwegen, die von steilen Abhängen gesäumt waren, bekam ich manchmal Angst und fragte mich, ob es nicht besser sei, abzusteigen und zu Fuß weiterzugehen. Letztlich vertraute ich mich dann doch dem Pferd an, das diesen Weg schon hundertmal zurückgelegt hat, aber eines war sicher: Ein falscher Schritt und es ist aus.
    Schließlich kommst du auf eine Hochebene und siehst weit hinten in den Bergen wie eine Fata Morgana die von mächtigen Mauern umgebene Hauptstadt Lomantang, was so viel heißt wie „Tal aller Wünsche“. Und dann tauchst du in eine stehengebliebene Zeit ein.
    Um die Stadt herum fließt ein Bach, in dem die Frauen ihre Wäsche waschen, aber auch trinken. Alles ist sorgsam geregelt: Hier wird gewaschen, dort getrunken. Jeden Abend wird das Stadttor verriegelt und morgens, du traust deinen Augen kaum, kommt der König persönlich, um es wieder zu öffnen, denn er verlässt seine Stadt als Erster, die Gebetsmühle in der Hand, um für seine Untertanen zu beten. Hinter ihm

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