Das Ende meiner Sucht
Und dann schob sieihren Stuhl zurück, stand auf und war wie verwandelt: eine Titanin, die alles Schlimme erlitten hatte, was das Leben bringt, und trotzdem ungebrochen geblieben war.
Bette Midler sang weiter, und ich tauchte tief in die Musik ein. Mit diesem Song hörte ich auf zu spielen. Nach diesem spontanen Duett, einem der größten Komplimente, das ich als Musiker jemals bekommen habe, schien mir Schweigen die beste Zugabe.
Arifs Freundschaft war mir eine große Hilfe. Er verurteilte und kritisierte mich nie, wenn ich trank, ermutigte mich nur, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um aufzuhören. In New York ist in den Bars um vier Uhr morgens Sperrstunde. Wenn man Alkoholiker ist und nicht genug getrunken hat, wenn die letzte Runde ausgerufen wird, sodass man ins Bett gehen und schlafen kann, und wenn man wie ich Bier nicht ausstehen kann, das es in allen rund um die Uhr geöffneten Läden zu kaufen gibt, und man keinen Alkohol zu Hause hat, hat man ein Problem. In einer Nacht ging es mir so, und ich beschloss, zu Arif zu fahren. Ich sagte dem Portier in dem Haus am Central Park West: »Ich möchte zu den Mardins.«
Er kannte mich von Besuchen zu weniger unmöglichen Zeiten und fragte: »Sind Sie sicher? Um diese Zeit?«
»Ja, ja.«
Er rief Arif über die Sprechanlage an und sagte dann, ich könne hinaufgehen.
Arifs Drinks hießen bei seinen Freunden Mardinis. Er öffnete im Morgenmantel die Tür, und ich sagte: »Ich brauche Wodka.«
Er brachte mir ein Glas Wodka, das ich dankbar trank. Er fragte: »Mehr?«
»Ja, bitte.«
Er brachte mir noch ein Glas, ich trank es, und dann sagte er freundlich: »Jetzt ist Zeit, dass du wieder gehst.« Es war eine peinliche Situation, aber Arif meisterte sie wunderbar. Danach konnte ich nach Hause gehen und schlafen. Er wusste, dass ich zu betrunken war, umirgendetwas aufzunehmen, was er vielleicht über das Wegkommen vom Alkohol sagen mochte.
Es war ein unglaubliches Glück, Arif in diesen schwierigen Zeiten zum Freund zu haben. Und auch die Freundschaft mit Maurice Blin war ein Glück. Ich lernte Maurice ungefähr zur selben Zeit kennen wie Arif. Maurice war damals zweiundsiebzig, ich war fünfunddreißig, aber er wurde mein bester und engster Freund. Er und seine Frau Melita luden mich oft in ihre Häuser in New York und Southampton ein. Er war voller Lebenslust. Er spielte Cello, allerdings nur mittelmäßig, und es bereitete mir immer Vergnügen, wenn ich auf ihrem wundervollen Steinway für ihn und Melita spielen konnte. Wenn Gäste kamen, kochte er selbst mit viel Liebe und Talent. Trotz des Altersunterschieds war er für mich wie ein großer Bruder, zu dem ich aufschaute. Einer seiner Söhne meinte einmal scherzhaft zu mir: »Die Leute sagen, er spricht viel mehr von dir als von seinen eigenen Kindern.«
Als mein Trinken problematische Ausmaße angenommen hatte, vertrat Maurice felsenfest die Auffassung, ich müsse nur den Schnaps aufgeben zugunsten von gutem Burgunder, und ich wäre in der Lage, maßvoll zu trinken. Er schenkte mir sogar ein Buch über eine Weinkur gegen Alkoholismus. Ich wusste, dass es nicht funktionieren würde, und versuchte es gar nicht erst. Bei den AA nannten sie das »mit Plätzen auf der Titanic handeln«. Maurice gab nie die Hoffnung für mich auf und sagte immer wieder: »Versuch es. Versuch es noch einmal.«
Während ich in der psychiatrischen Abteilung in Lenox Hill festsaß, verschlechterte sich Maurices Gesundheitszustand. Bis dahin war er erstaunlich aktiv gewesen, war jeden Tag mit dem Fahrrad gefahren oder geschwommen. Aber nun hatte er Krebs, und er hinterließ herzzerreißende Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter, bat um meinen Besuch und fragte: »Warum lässt du mich fallen, wenn ich dich am meisten brauche?«
Auf dem Weg nach Marworth stellte ich mir vor, Maurice werdesterben, bevor ich zurückkehrte und ihn besuchen konnte. Er war sehr schwach und wurde in den nächsten Monaten noch schwächer, manchmal redete er verwirrt. Aber ich konnte ihn ein paar Mal in Southampton besuchen und dann regelmäßiger, als er ins Cabrini Hospital in New York nahe dem Gramercy Park verlegt wurde.
Maurice starb im Dezember, kurz vor Weihnachten ging ich zu seiner Beerdigung. Es war ein riesiger Verlust, und ich war sehr traurig, ließ aber die Traurigkeit nicht vollständig an mich heran. Genauso hatte ich reagiert, als im November 1991 mein Vater an Krebs gestorben war. Es dauerte 17 Monate, bis ich aus Trauer um meinen
Weitere Kostenlose Bücher