Das Ende meiner Sucht
Spezialisierung und Innovationen der Pharmabranche gekennzeichnet ist, beides mit großem Nutzen für die Patienten. Kein Arzt kann sich über alle Entwicklungen auf den vielen medizinischen Spezialgebieten und über alle verfügbaren Medikamente auf dem Laufenden halten.
Als ich in der Kardiologie am New York Hospital-Cornell mit der Facharztausbildung anfing, überraschte es mich, dass die amerikanischen Ärzte nicht regelmäßig Nadolol einsetzten, einen Betablocker, den ich in Frankreich zu verwenden gelernt hatte. 1984 berichteten Philippe Coumel et al. im American Heart Journal, dass Nadolol die Herzfrequenz um rund fünf Schläge mehr vermindert als andere Betablocker. Mit anderen Worten: Wenn ein anderer Betablocker den Puls auf 63 bringt, ist mit Nadolol wegen seiner stärkeren Wirkung auf das sympathische Nervensystem eine Reduktion auf 58 zu erreichen.
Manche Kinder haben Arrhythmien und erleiden eine Ohnmacht (Synkope), wenn sie sich anstrengen oder sehr aufgewühlt sind. Das rührt von einer schweren ventrikulären Tachykardie her, gegen die Katecholamine gegeben werden. Wird die Diagnose zu spät gestellt, sind die Ergebnisse unbefriedigend. Andere Betablocker helfen dann oft nicht mehr, selbst nicht in maximaler Dosierung, aber Nadolol wirkt.
In New York behandelte ich auch mehrere erwachsene Patienten damit, darunter einige, die mich wegen einer Zweitmeinung konsultierten, weil ihre Kardiologen ihnen gesagt hatten, nur eine Bypass-Operation könne sie noch von den quälenden täglichen Brustschmerzen befreien, gegen die Betablocker auch in Höchstdosis wirkungslos blieben. Wenn ich der Meinung war, Patienten könnten von Nadolol profitieren, erklärte ich ihnen, woher ich das wusste, und sagte ihnen sogar: »Dieser Effekt des Medikaments ist hier praktisch unbekannt; wenn Sie also ein Problem bekommen, sind Sie in einer guten Position, mich zu verklagen.« Glücklicherweise ging es allenPatienten, denen ich Nadolol verschrieb, gut damit, und es bewahrte viele vor chirurgischen Eingriffen.
Amiodaron war ein weiteres Herzmedikament, das ich aus Frankreich kannte. Als ich 1983 nach New York kam und Amiodaron für Patienten vorschlug, wehrten die Kollegen ab. »Auf keinen Fall«, sagten sie und verwiesen auf amerikanische Studien, wonach Amiodaron in etlichen Fällen eine schwere Lungenfibrose verursachte. Ich prüfte die Studien nach und stellte fest, dass dabei extrem hohe Dosen verwendet worden waren, weit über der erforderlichen Dosierung. Das war so, als hätte ich Patienten eine Megadosis Aspirin verabreicht und dann gesagt: »Aspirin ist toxisch. Es verursacht innere Blutungen.« Ich redete den Kollegen beharrlich zu: »Amiodaron ist sicher, und es ist in vielen Fällen die beste Medikation – wenn man es bei der richtigen Indikation in der richtigen Dosis verabreicht.« Es dauerte über zehn Jahre, bis die amerikanischen Kardiologen allmählich Amiodaron akzeptierten. Unterdessen behandelte ich eine Reihe von Patienten, darunter wiederum einige, die sich wegen einer Zweitmeinung an mich gewandt hatten, mit Amiodaron. Ich erklärte ihnen: »Ich verschreibe Ihnen das, wie erwähnt, off-label. Sie sind in einer perfekten Ausgangsposition, wenn Sie mich verklagen wollen.« Glücklicherweise ging es den Patienten mit niedrig dosiertem Amiodaron gut, und sie waren dankbar, dass ihnen dadurch ein Herzschrittmacher erspart blieb.
Nachdem ich das Abstract des Papers von Breslow et al. gelesen hatte, prüfte ich die anderen Treffer meiner Google-Suche zu »Baclofen Panik« und klickte etliche Links an, fand aber nichts ähnlich Interessantes. Etwas später probierte ich es mit »Baclofen Angst«, und dabei stieß ich offensichtlich auf eine Goldader: einen Link zum Abstract eines Aufsatzes von 1993 in der Zeitschrift Drug and Alcohol Dependence. Verfasser waren der russische Forscher E. M. Krupitsky und Mitarbeiter, der Titel lautete »Baclofen administration for the treatment of affective disorders in alcoholic patients« (Einsatz vonBaclofen bei alkoholabhängigen Patienten mit affektiven Störungen).
Begierig klickte ich den Link an und las die Kurzzusammenfassung: Die Forscher hatten eine Gruppe von 90 alkoholabhängigen Patienten mit Angst und/oder Depression in vier Untergruppen aufgeteilt, die jeweils entweder Baclofen, ein Benzodiazepin, ein Antidepressivum oder Placebo bekamen. Baclofen, das Benzodiazepin und das Antidepressivum wirkten alle besser als das Placebo gegen die Angst und
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