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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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Baclofen oder ebenfalls als Lioresal).
    Die Apotheke bestellte das Medikament gern für mich. Am nächsten Tag holte ich mir eine kleine Packung mit 10-Milligramm-Tabletten Baclofen ab, zögerte aber noch, sie zu nehmen. Mehrere Tage trug ich die Packung ungeöffnet mit mir herum. John Schaefer hatte sich für die Sicherheit von Baclofen verbürgt. Aber ich war ihm gegenüber nicht ganz ehrlich gewesen, warum ich es nehmen wollte, und was meine französischen Ärzte anbetraf, so schluckte ich es GMR, »gegen medizinischen Rat«.
    Bis dahin hatte ich mich stets bemüht, ein guter Patient zu sein, und hatte es vermieden, meinen eigenen Arzt zu spielen, aber nun schien mir, um mein Leben aus der Alkoholabhängigkeit zu retten, blieb mir keine andere Wahl, als mich auf das Hochseil zu begeben, ohne das Sicherheitsnetz in Gestalt der Kontrolle durch einen anderen Arzt.
    Am 22. März 2002 begann ich den Empfehlungen von John Schaefer entsprechend mit der Einnahme von Baclofen in der Dosierung von dreimal 5 Milligramm täglich, dafür halbierte ich die Tabletten. Sofort verspürte ich eine Muskelentspannung, die ich geradezu unglaublich fand, und bereits in der ersten Nacht schlief ich wie ein Baby. Nie zuvor hatte ich eine so dramatische Wirkung erlebt, und ich hätte so etwas nie für möglich gehalten.
    Am nächsten Morgen hatte ich einen Termin bei meinem Verhaltenstherapeuten. Er schien keine Veränderung an mir zu bemerken, aber ich fühlte mich ruhiger als sonst.
    Auf dem Heimweg von der Therapiestunde ging ich wie üblich in den großen FNAC in Montparnasse. Ich liebte die Besuche in dem Laden, wo ich die riesigen Bestände an CDs und DVDs durchstöberte. Ich fand immer etwas – vieles –, was mir gefiel: wiederveröffentlichte Einspielungen klassischer und romantischer Stücke von Künstlern wie Josef Hofmann und Arturo Toscanini; Werke von modernen Komponisten wie Ligeti, Berio, Morricone und Dutilleux; Art Tatum, Aretha Franklin, Natalie Cole, Norah Jones – die ganze Bandbreite.
    45 Minuten später, beim Verlassen des Ladens, vermisste ich auf einmal meine Sachen. Offensichtlich hatte ich meine Tüte an der Kasse stehen lassen. Ich lief zurück, drängte mich durch die Käuferschlange, bis mir klar wurde: Ich hatte gar nichts gekauft.
    Bis zu dem Augenblick war mir nicht bewusst gewesen, dass ich seit Langem Anfälle von Kaufzwang hatte. Ich ging zu Bloomingdale’s, weil ich Socken brauchte, und kam mit einer Tüte voller Hemden heraus. (Ich habe immer noch einen Stapel originalverpackt imSchrank.) Genauso war es mit anderen Dingen, vor allem aber mit CDs. Wenn ich in einem Laden die Bestände durchstöberte, dachte ich nie daran, dass ich schon mehrere schöne Aufnahmen etwa einer bestimmten Symphonie besaß. Wenn ich die Symphonie sah und haben wollte, griff ich nach der CD und nahm sie mit. Ich kaufte, wonach ich verlangte, und normalerweise waren das bei jedem Besuch mindestens ein halbes Dutzend CDs.
    Und jetzt, zum ersten Mal, solange ich zurückdenken konnte, übte ich mich in Abwägung und Zurückhaltung und verließ das Geschäft, ohne etwas gekauft zu haben.
    Im Laufe der nächsten beiden Monate erhöhte ich meine Baclofen-Dosis stetig bis auf 180 Milligramm pro Tag.
    Die kurzfristigen Wirkungen verblüfften mich. Meine Muskeln waren vollkommen entspannt, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich schlief ruhig und friedlich wie ebenfalls nie zuvor, wachte morgens frisch und ausgeruht auf ohne die Nachwirkungen von Schlaftabletten. Das Baclofen hielt meine Angst besser unter Kontrolle als die Standardmedikamente. Es reduzierte mein Verlangen nach Alkohol und ermöglichte mir, zwischen zwei Abstürzen länger abstinent zu bleiben. Meine Räusche waren weniger schlimm. Und es beschleunigte die Erholung nach einem Rausch und linderte Entzugserscheinungen besser als Benzodiazepine, ohne deren Suchtpotenzial und beeinträchtigende Nebenwirkungen.
    Jedes Mal, wenn ich die Baclofen-Dosis steigerte, wurde ich schläfrig. Aber es war eine angenehme Schläfrigkeit, ich fühlte mich natürlich entspannt, und mein Geist blieb klar, kein Vergleich mit dem dumpfen, benebelten Zustand, den Valium und andere Benzos erzeugten. Und genau wie John Schaefer gesagt hatte, verschwand die Schläfrigkeit nach ein oder zwei Tagen wieder. Ich verspürte keine der sonstigen Nebenwirkungen, weder Magenprobleme noch Schwindel, noch Kopfschmerzen, die Addolorato und seine Kollegen als vorübergehende Begleiterscheinungen in ihrer

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