Das Ende meiner Sucht
geselligen Anlass drei normal große Drinks (Gin mit Tonic), verteilt über ein paar Stunden. Sofort bemerkte ich, dass ich nicht den Drang verspürte, das erste Glas schnell hinunterzukippen, wie es während meiner Alkoholabhängigkeit immer gewesen war. Stattdessen gefiel es mir, es langsam über 40 Minuten auszutrinken. Der zweite Gin Tonic, den ich ebenfalls langsam trank, erzeugte eine milde Euphorie. Ich nippte an dem dritten, konnte das Glas aber nicht austrinken, was früher einfach undenkbar gewesen wäre. Beim Aufwachen am nächsten Morgen fühlte ich mich vollkommen normal, hatte weder Gewissensbisse noch Angst und Schuldgefühle wegen des Alkohols wie früher immer. Außerdem verspürte ich keinerlei Craving nach Alkohol, und in den nächsten Wochen musste ich weder im Wachzustand an Alkohol denken noch träumte ich davon.
Beim zweiten Test nahm ich weiter meine Erhaltungsdosis von 120 Milligramm Baclofen, steigerte aber den Alkohol. Ich konsumierte fünf Standarddrinks, diesmal Wodka mit Tonic, in größerer Runde über einen Zeitraum von sechs Stunden. Wieder empfand ich keinen Drang, rasch zu trinken, und verspürte nur eine leichte Euphorie. Aber am nächsten Nachmittag hatte ich einen Anflug von Craving. Zusätzliche 40 Milligramm Baclofen unterdrückten das Craving.
Mehrere Stunden später meldete sich das Craving wieder, vermutlich hatte die größere Alkoholmenge bei dem zweiten Versuch meinen alten Craving-Zyklus reaktiviert. Ich steigerte meine tägliche Baclofen-Dosis auf 180 Milligramm, und das Craving verschwand vollkommen. Im Laufe der nächsten sechs Tage reduzierte ich meine Dosis wieder auf 120 Milligramm, ohne dass das Craving zurückkehrte. Das war nach den Tierexperimenten und meinen früheren Selbstversuchen ein weiterer Hinweis, dass die symptomunterdrückende Wirkung von Baclofen von der Dosierung abhängt, dass in Zeiten von Stress höhere Dosierungen erforderlich sein können unddass die wirksame Erhaltungsdosis niedriger ist als die symptomunterdrückende Dosis.
Dementsprechend bestand der dritte und letzte Test darin, zu sehen, ob eine höhere als die übliche Dosis von Baclofen verhindern könnte, dass Craving überhaupt auftrat, selbst wenn ich erhebliche Mengen Alkohol konsumierte wie bei starkem Trinken oder einem Rückfall. Am Tag des Tests nahm ich insgesamt 140 Milligramm ein: 30 Milligramm am Morgen, 30 Milligramm acht Stunden später und 80 Milligramm am Abend, als ich gleichzeitig eine Dreiviertelliter-Flasche Scotch öffnete. Den Rest des Abends trank ich vier Fünftel der Flasche, rund 600 Milliliter.
Am nächsten Morgen hatte ich einen leichten Kater, aber kein Craving und kein Bedürfnis, weiter zu trinken. Ich nahm 140 Milligramm Baclofen und am Abend noch einmal 80 Milligramm. An den nächsten sechs Tagen blieb ich bei dreimal 60 Milligramm pro Tag, morgens, mittags und abends, und kehrte danach zu meiner üblichen Dosis von 120 Milligramm zurück, ohne Craving zu verspüren.
Es war gut zu wissen, dass ich mit Baclofen Alkohol trinken konnte, ohne wieder abhängig zu werden. Seitdem habe ich bei seltenen Gelegenheiten ein oder zwei Glas Champagner getrunken oder einmal Wodka mit Tonic oder einen Gin Tonic, wenn ich mit Freunden zusammen war. Aber in Anbetracht der Alkoholmengen, die ich in meiner Zeit als Trinker meinem Körper zugemutet habe, ziehe ich es vor, nichts zu trinken.
Der Psychiater von Herrn A. versuchte dessen Alkoholabhängigkeit mit oralen Gaben von Naltrexon zu bekämpfen. 100 Milligramm täglich reduzierten eine Weile sein Craving, wirkten dann aber nicht mehr. Studien mit oralen Naltrexon-Gaben zeigen, dass es im Allgemeinen etwa drei Monate wirkt und die Wirkung dann nachlässt. Die Erhöhung der Dosis auf 150 Milligramm – eine unüblich hohe Dosis und deshalb eine Off-Label-Verordnung, üblich sind 50 Milligramm – hatte keinen Erfolg, aber der Psychiater weigerte sich, Baclofen offlabel zu verschreiben.
Herr A. ging weiter wegen Angst und Depressionen zu seinem Psychiater und Psychologen. Ich riet ihm, sich einen anderen Psychiater zu suchen, der bereit war, ihm Baclofen gegen seine Alkoholabhängigkeit zu verschreiben. Einige Ärzte wiesen ihn ab, doch im Sommer fand er schließlich William Bucknam, einen auf Suchterkrankungen spezialisierten Psychiater in Ann Arbor, der einwilligte, mit ihm zu arbeiten und den Fall mit mir zu diskutieren.
Dr. Bucknam wollte sich natürlich erst einmal selbst ein Bild machen, wie Herr A. auf die
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