Das Ende meiner Sucht
und die ersten Wochen des Jahres 2006 arbeitete ich unentgeltlich in Vollzeit an der Vorbereitung der Studie. Ich begann mit dem detaillierten Entwurf für eine multizentrische, randomisierte Studie, in der die Anwendung von Baclofen mit der von Naltrexon bei Alkoholabhängigkeit verglichen werden sollte. Die Höchstdosis in der Baclofen-Gruppe sollte 120 Milligramm pro Tag sein (obwohl ich für höhere Dosen plädierte) und die Höchstdosis in der Naltrexon-Gruppe 50 Milligramm. Die Höchstdosis wurde so festgelegt, obwohl die Studie von Smith et al. zu hoch dosiertem oralem Baclofen bei MS-Patienten die größten Vorteile bei mehr als 100 Milligramm festgestellt hatte, ohne dass es einschränkende Nebenwirkungen gab, und trotz der Befunde aus Tierversuchen und meinem eigenen Fall.
Aber wie auch immer: 120 Milligramm waren ein großer Schritt in die richtige Richtung, und ich hoffte, die Studie würde die erste sein, in der die Patienten vollkommen von der Sucht frei wurden. Dr. Bucknams Patient Herr A. hatte dieses Ziel mit weniger Baclofen erreicht, als ich gebraucht hatte, und die Tierversuche mit Baclofen bei Alkohol, Kokain, Heroin, Amphetaminen und Nikotin zeigten allesamt, dass die Medikation in unterschiedlichen Dosierungen positive Wirkungen hatte.
Ich entwarf auch die Schreiben, die nötig sein würden, um den Antrag für die Studie beim französischen Krankenhausprogramm für klinische Studien einzureichen (Programme Hospitalier de Recherche Clinique, PHRC). Besonders wichtig war dabei der Abschnitt, in dem die Sicherheit von hoch dosiertem Baclofen dokumentiert wurde, denn dies stellte den Kern des Aufklärungsbogens dar, den die alkoholabhängigen Patienten unterzeichnen mussten, damit sie an der Studie teilnehmen konnten. Die Statistiker des Vorbereitungsteams, das die Professoren X. und Y. zusammengestellt hatten, sagten, wir bräuchten mindestens 250 Probanden, 125 in jeder Gruppe, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten.
Zwei Monate später schrieb mir Giancarlo Colombo und schlug vor, wir sollten uns treffen, wenn er im April zu einer zweitägigen Konferenz der Europäischen Gesellschaft für biomedizinische Forschung über Alkoholismus (European Society for Biomedical Research on Alcoholism, ESBRA) nach Paris kommen würde.
Ich antwortete Giancarlo, ich freute mich sehr auf das Treffen mit ihm, aber ich sei nicht Mitglied der ESBRA und wisse nichts von der Konferenz. Daraufhin bot er sofort an, mich als neues Mitglied der Gesellschaft zu empfehlen. Giancarlo verfasste eines der beiden erforderlichen Empfehlungsschreiben, das zweite kam von seiner Frau und Kollegin Roberta Agabio.
Unterdessen hatte ich meinen Fallbericht an Dr. Eliot L. Gardner geschickt, einen Experten für die Rolle der Belohnungsmechanismendes Gehirns bei Suchterkrankungen, Direktor des Laboratory of Behavioral Neuropharmacology am Albert Einstein College of Medicine der Yeshiva University in New York und Leiter der Abteilung Neuropsychopharmakologie am Intramural Research Program des NIDA, des Drogeninstituts der amerikanischen Gesundheitsbehörden. Anfang März schickte mir Dr. Gardner eine E-Mail:
… Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Arbeit und wünsche Ihnen viel Erfolg mit der großen multizentrischen Studie zu hoch dosiertem Baclofen…
Und ich möchte Ihnen weiterhin sagen, dass ich beim Punkt Unterdrückung des Craving vollkommen mit Ihnen übereinstimme … Sie sind auf der richtigen Spur. Lassen Sie sich nicht von bornierten Kritikern vom Weg abbringen.
Und ich teile vollkommen Ihre Skepsis hinsichtlich Naltrexon, Acamprosat, Topiramat, niedrig dosiertem Baclofen und Rimonabant [als Mittel gegen Craving]…
Das war ein großes Vertrauensvotum für die prospektive PHRC-Studie, und glücklich informierte ich die Professoren X. und Y. Dann flog ich zum ersten Mal seit meiner Rückkehr nach Frankreich im Juni 1999, als der Alkoholismus mein Leben und meine Karriere als Kardiologe ruiniert hatte, wieder nach New York. Ich nahm an der Party zum 74. Geburtstag meines guten Freundes Arif Mardin teil, der da schon schwer krank war und leider im Sommer starb, genau an meinem Geburtstag. Als ich durch die Straßen von Manhattan schlenderte, stiegen bittersüße Erinnerungen an frühere Freunde und Erlebnisse in mir auf. Es war aufwühlend, daran zu denken, was ich alles verloren hatte, aber dank Baclofen konnte ich schätzen, was ich als Mensch in meinem Kampf gegen Alkoholismus und bei meiner Genesung gelernt
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