Das Ende meiner Sucht
meinem Fallbericht zur Durchführung randomisierter Studien mit hoch dosiertem Baclofen. Die Reaktion war gleich null. 2
Da stand ich, nicht nur erklärter Alkoholiker, sondern auch Arzt ohne Stelle an einer Universität oder einem medizinischen Institut. Am 25. Januar 2005, etwas mehr als einen Monat nach Veröffentlichung meines Fallberichts, informierte mich der Leiter der medizinischen Abteilung am Weill Cornell Medical College über seine Entscheidung, meine Bestellung zum Dozenten für Medizin für den Zeitraum 2004–2006 nicht zu verlängern wegen fehlender Beteiligung an der Lehre, an klinischen, administrativen und Forschungsaktivitäten der Abteilung. Ich war sehr traurig, dass meine Verbindung mit dieser großartigen Institution nach 21 Jahren auf diese Weise endete.
Ich verfügte nicht über die Mittel, selbst eine Studie durchzuführen, ich hatte nicht einmal Geld, um zu Tagungen zu fahren und über das Potenzial von Baclofen zu diskutieren. Forscher, die an einer solchen Studie interessiert gewesen wären, sahen sich zugegebenermaßen vielen Schwierigkeiten gegenüber. Im Zeitalter einerinstitutionalisierten medizinischen Wissenschaft kostet es viel Zeit, Stiftungsgelder und sonstige Mittel einzuwerben, Forschungsprotokolle mit Ethikkommissionen abzuklären, den Laborbetrieb zu organisieren und die Bedürfnisse von Angestellten, Doktoranden und Postdoc-Studenten im Auge zu behalten. Laufende und geplante Forschungsprojekte müssen durchgeführt und systematisch dokumentiert werden. Die Spezialisierung auf kleinste Forschungsbereiche hindert viele Forscher selbst auf eng verbundenen Feldern, miteinander zu kooperieren und voneinander zu lernen. Kurzum, der Betrieb der modernen medizinischen Wissenschaft hat seine eigenen Gesetze, und Forscher können nicht einfach das liegen lassen, woran sie gerade arbeiten, und knappe Ressourcen zu einem neuen Thema umlenken.
Und nicht zuletzt gab es noch ein Hindernis: In den 1980er Jahren war das Patent auf Baclofen ausgelaufen, seither war der Wirkstoff als Generikum erhältlich. Das bedeutet, dass kein Pharmaunternehmen – und Pharmaunternehmen zahlen bei den teuren suchtmedizinischen Versuchen mit Menschen den größten Teil der Rechnung – einen finanziellen Anreiz hat, sich auf die große Studie einzulassen, die nötig wäre, um die Wirksamkeit von Baclofen zu beweisen oder zu widerlegen.
Ich fragte mich, ob ich in Frankreich eine Studie in Gang bekommen könnte. Im Juni wurde mir vorgeschlagen, Kontakt zu dem Psychiater und Neurobiologen Renaud de Beaurepaire aufzunehmen, Chef der Psychiatrie in einem Krankenhaus in Paris und Leiter des psychopharmakologischen Labors am Hôpital Paul Guiraud. Ich schlug seine Publikationen nach und sah, dass er eindrucksvolle Forschungen zu Nikotinabhängigkeit und anderen Drogen geleistet hatte, außerdem zu Persönlichkeitsstörungen und Neurotransmission. Dr. de Beaurepaire willigte ein, mit mir zu sprechen. Er war ein großer, freundlicher Mann mit scharfem Verstand. Wir unterhielten uns über alles Mögliche, und im Verlauf des Gesprächs sagte er, die beste Wahl, in Frankreich einen Versuch an Menschen mit hoch dosiertemBaclofen zu starten, sei jemand, den ich hier Professor X. nennen will. Auch andere hatten mir schon geraten, Professor X. zu kontaktieren. Ich meldete mich umgehend bei ihm. Er sagte, er würde sehr gerne mit mir sprechen. Aber er war sehr beschäftigt, es erwies sich als schwierig, einen Termin zu vereinbaren.
Die Frustration und die Sorge, dass ich es womöglich nicht schaffen würde, genügend Interesse für Baclofen zu wecken und zu erreichen, dass auch andere Suchtkranke davon profitieren konnten, hätten mich wahrscheinlich überwältigt und wieder zur Flasche greifen lassen, wenn ich das Medikament nicht gehabt hätte. Fünf Monate später, am 22. November, konnte ich endlich mit Professor X. sprechen; er lud Renaud de Beaurepaire und mich zum Mittagessen ein. Nach gründlicher Diskussion sagte Professor X.: »Formulieren Sie den zentralen Gedanken einer solchen Studie, und ich werde sehen, was sich machen lässt.«
Am Tag vor diesem Essen hatte ich einen überschwänglichen Brief von Professor Y. bekommen, Internist in einem Pariser Krankenhaus, der mit mir über meinen Fallbericht sprechen wollte. Ich erzählte Professor X. von diesem Brief, und bald war vereinbart, dass die beiden an der Studie mitarbeiten würden, wenn sie zustande kommen sollte.
Die restlichen Wochen des Jahres 2005
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