Das Engelsgrab
wie mich das aufbaut. Danke.«
»Warten wir ab. Dann bis später.«
Lilian nickte nur. Aber sie konnte schon lächeln. Das sahen wir als positiv an…
***
Zwar hatte ich die Beschreibung bekommen und sie auch - so hoffte ich - behalten. Hundertprozentig traf es nicht zu, denn wir hatten einige Probleme, den Friedhof zu finden und mussten nachfragen. Man schickte uns zwar nicht in die Wildnis, aber in ein flaches Gelände, in dem sich Hund und Katze gute Nacht sagten. Nur in der Ferne war eine Reihe von Häusern zu sehen, die zu einem Neubaugebiet gehörten, das nicht mehr zu Wembley zählte.
Der alte Friedhof lag nicht auf einem Hügel und auch nicht in einer Senke, sondern in gleicher Höhe wie das übrige Land, auf der sehr flachen Ebene.
Von einer gewissen Distanz aus gesehen wirkte er wie ein Waldstück.
Beim Näherkommen allerdings erkannten wir die breiten Lücken innerhalb des Baumbestands. Auf einem mit Unkraut bewachsenen Weg rollten wir näher an das Ziel heran und sahen hin und wieder die Teile einer hohen Mauer, wenn sie nicht gerade überwuchert war. Auf gärtnerische Pflegearbeiten war jahrelang verzichtet worden.
Es gab auch einen Eingang. Das inzwischen verrostete Tor hing schief in den Angeln, war aber zu bewegen, und so drückten wir es nach innen.
Der Weg war frei.
Wir ließen den Anblick des Geländes auf uns wirken. Viel war nicht zu sehen. Die Gräber lagen nicht frei vor uns. Wir mussten schon genau hinschauen, um sie überhaupt erkennen zu können. Die meisten waren durch hohes Unkraut oder dickes Buschwerk verdeckt worden. Nur ab und zu überragte ein hohes Kreuz oder ein Grabstein den natürlichen Bewuchs.
»Klein ist er nicht gerade«, meinte Suko. »Da steht uns einiges an Sucherei bevor.«
Ich gab ihm recht und fragte zugleich: »Normal ist er auch nicht. Oder was meinst du?«
»Sorry, John, aber ich spüre nichts, falls du an irgendwelche Dämonen gedacht hast.«
»Hatte ich tatsächlich.«
»Wie machen wir es? Trennen wir uns?«
»Ist am besten. Du nimmst die linke, ich kümmere mich um die rechte Seite. Irgendwann werden wir uns dann treffen.«
»Erfolgreich?«
»Das weiß ich nicht.«
»Was hoffst du denn, finden zu können?« fragte Suko.
Ich blies den Atem aus. »Einen toten Engel? Falls es ihn überhaupt gibt.«
Suko war da anderer Meinung. »Ich denke nicht, dass dieser Schutzengel den Jungen belogen hat. Was hätte ihm das bringen sollen, ein Kind dermaßen zu enttäuschen?«
»Richtig. Aber wenn er tatsächlich hier gestorben ist, bin ich darauf gespannt, was wir von einem toten Engel noch finden. Engel sind in der Regel Geister. Sie würden sich, wenn sie nicht mehr sind, einfach auflösen.«
»Toby sah das anders. Er hat in der hellen Lichtaura eine unbekleidete Frauengestalt gesehen. So müsste ihm der Engel als normaler Mensch und zugleich als Geistwesen erschienen sein. Dann will ich dir noch etwas sagen, John, oder fragen. Als was bezeichnest du Belial?«
Ich kniff die Augen zusammen. »Wie willst du es haben? Als Monster?«
»Nein, auch er bezeichnet sich als Engel. Wenn auch als Engel der Finsternis oder Engel des Bösen. Als Gesandter Luzifers. Als Lügenengel, als eine Unperson, die dem absolut Bösen geweiht ist.«
»Ja, Belial.«
Suko hatte die Antwort mit einem so seltsamen Unterton in der Stimme gegeben, dass ich misstrauisch wurde. »Moment mal«, sagte ich leise. »Du hast Belial angesprochen, und Toby redete davon, dass sein Schutzengel verfolgt worden ist. Von irgendwelchen Feinden, die ihn töten wollen. Engel können Engel töten.«
»Dafür sehe ich Belial an, John!«
Ich atmete tief ein und schaute auf meine Handgelenke, wo eine Gänsehaut zurückgeblieben war. Wenn Belial tatsächlich mitmischte, wurde es mehr als hart. Dieser schreckliche Engel der Lügen sah sich in der Tradition des absolut Bösen, des leider noch immer unwahrscheinlich mächtigen Luzifer. Schon des öfteren hatten wir es mit Belial zu tun bekommen, und das war verdammt hart gewesen. Als ich mich umschaute, musste Suko leise lachen.
»Suchst du ihn schon jetzt?«
»Möglich ist alles.«
»Dann lass uns erst einmal nach dem anderen, dem toten Engel suchen. Beweise sind im Moment wichtiger.«
Da hatte er recht. Es brachte nichts, wenn wir über ungelegte Eier diskutierten. Wir wollten und mussten erfahren, ob Toby Cramer mit seinen Ausführungen recht behalten hatte. Suko ging nach links, ich in die andere Richtung. Sehr bald schon hatten wir uns aus den
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