Das Erbe der Apothekerin - Roman
Selbstverständlich, Eure Heiligkeit! Euer Appetit muss angeregt werden. Umgehend werde ich Befehl geben, eine solche Frau in der Stadt zu finden und pronto, pronto hierherzubringen, Heiliger Vater.«
»Das sollte ja wohl keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten, oder? Von dieser Sorte wird es doch sogar bei den fischblütigen Deutschen genügend geben, meine ich«, hörte Massimo den Papst unter der Decke hervor knurren.
»Natürlich, Eure Heiligkeit! Sofort!« Rückwärts stolpernd verließ der Diener das prunkvolle Gemach, das normalerweise dem Bischof von Konstanz als Schlafstätte und Arbeitszimmer diente.
Massimo beschloss, sich persönlich auf die Suche nach einer geeigneten Frau zu machen. Er beriet sich auch nicht erst lange mit Don Severino. Denn er traute es sich wahrlich auch alleine zu, eine heilkundige Person ausfindig zu machen, die dem Papst Linderung zu schaffen vermochte. Er würde sich einfach in der Stadt durchfragen nach einer bekannten Medica oder einer Apothekerin.
Kurz wunderte sich der Domestik, dass sich im Gefolge des Heiligen Vaters kein Arzt befand. Dann erinnerte er sich daran, dass er die Dienerschaft hatte sagen hören, Papst Johannes sei fast noch niemals krank oder auch nur unpässlich gewesen.
»Trotz seines nicht gerade gesundheitsfördernden, sondern eher unmäßigen Lebenswandels und ungeachtet seiner Leibesfülle scheint Seine Heiligkeit ein wahrer Ausbund an Wohlbefinden zu sein«, dachte Massimo ein klein wenig neidisch, während er auf der Gasse nach wenigen Schritten auf einen entgegenkommenden Franziskanermönch zuhielt.
»Frommer Bruder, auf ein Wort!«, redete er diesen an und stellte sich ihm in den Weg. »Könntet Ihr mir wohl eine Frau empfehlen, die in der Heilkunst bewandert ist?«
»Um welches Leiden handelt es sich denn? Muss etwa ein gebrochenes Bein eingerenkt werden? Das ist für eine schwache Frau oft zu schwer«, erklärte der Klosterbruder. Wie der Zufall es wollte, handelte es sich um Bruder Gregor, den Apotheker des Franziskanerklosters.
»Nein, nein! Es ist wohl eher eine Verstimmung des Magens oder eine Sache der Gedärme. Und der Patient klagt auch über Kopfschmerzen. Genau weiß ich es aber nicht.«
»Warum soll es unbedingt eine Frau sein, die Ihr sucht?«
Misstrauisch beäugte Frater Gregor den Burschen, der, seiner herausgeputzten Kleidung nach zu urteilen, der Diener
eines schwerreichen Mannes sein musste. »Ich selbst bin Apotheker unseres Klosters und könnte Euch genauso gut behilflich sein.«
»Nichts für ungut, Frater! Aber mein Herr, der Bischof, hat ausdrücklich nach einer weiblichen Person verlangt, die ihm durch ihr sanftes Wesen, gepaart mit medizinischem Sachverstand, sowie mit zarter Hand und lieblichen Worten helfen soll.«
Massimo befand es für besser, nicht den Namen des Papstes zu erwähnen. Das gäbe womöglich dummes Gerede in der Stadt. Und eine Lüge war es ja keineswegs: Jeder Papst war zugleich der Bischof von Rom.
»Oh! Ein Bischof ist der Patient! Das ist natürlich etwas anderes! Selbstverständlich kann ich Euch helfen. Kommt mit mir ins Kloster, es ist nicht weit. Bei uns arbeitet ein junges Mädchen, eine ganz hervorragende Kräuterfrau und Heilerin. Ich werde sie bitten, Euch zu begleiten. Wo ist Euer Herr denn im Augenblick untergebracht?«
Letzteres war eine Fangfrage: Wenn der geschniegelte Bursche wirklich der Diener eines Kirchenfürsten war, musste sein Herr in einem der vornehmeren Gebäude residieren. Massimo bestand den Test, indem er auf gut Glück den Namen eines Hauses nannte, von dem er genau wusste, dass es im Moment von einem hohen französischen Kirchenmann bewohnt wurde.
Betz war ausnahmsweise früher nach Hause gekommen. Er hatte einen Auftrag Bruder Gregors erledigt und dachte nicht daran, am frühen Abend noch einmal in die Klosterapotheke zurückzukehren. Für heute hatte er genug getan – fand er.
Frater Gregor bedurfte des Öfteren der Unterstützung des
Knaben, der außer flinken Beinen auch ein helles Köpfchen hatte. Meist musste Betz Arzneien ausliefern oder das Geld dafür eintreiben – Laufarbeit, die dem Bruder Apotheker selbst zu mühsam und die außerdem nicht von jener Art war, die unbedingt seine persönliche Anwesenheit erforderte.
Der Junge war bemerkenswert geschickt und verstand es in der Regel, die säumige Kundschaft zum Bezahlen zu animieren; und da er lesen gelernt hatte, war es auch noch nie vorgekommen, dass er Medikamente verwechselt hatte.
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