Das Erbe der Apothekerin - Roman
Ehrabschneider kleinlaut aus dem Gemach des Klosteroberen – überdies verdonnert zu einer harten Buße wegen Verleumdung einer Unschuldigen und Verhetzung einiger seiner Mitbrüder. Die nächsten Wochen würde Malachias bei Wasser und Brot im Klosterkerker und stundenlangen nächtlichen Gebeten in der eiskalten Kapelle verbringen.
Leider brachte ihn das nicht zur Einsicht, sondern verstärkte im Gegenteil seinen Groll gegen Magdalena Scheitlin. Tag und Nacht sann der missgünstige Frater nun darüber nach, wie er es anstellen konnte, das verhasste Frauenzimmer in eine Falle tappen zu lassen. Magdalena freilich ahnte nichts von alldem. Das neue Jahr begann so arbeitsreich und turbulent, wie das alte zu Ende gegangen war, und sie hatte kaum einmal Gelegenheit, über irgendetwas länger nachzudenken – ein Umstand, der ihr nicht so unlieb war. Konrad kam ihr selten in den Sinn. Manchmal nur wachte sie mitten in der Nacht mit tränennassem Gesicht auf, und wenn sie sich dann mühsam der verschwommenen Bilder ihrer
Träume zu erinnern suchte, tauchte bisweilen sein Antlitz vor ihr auf. Doch bereits am Morgen wusste sie dann schon kaum noch, ob sie wirklich im Schlaf geweint oder auch das nur geträumt hatte.
Der »Fall Jan Hus« widerstrebte König Sigismund maßlos. Sein Zornesausbruch in Speyer war nur gespielt. Wie ernst er sein dem böhmischen Reformator gegebenes Wort nahm, wurde deutlich, als er acht Tage nach seinem Eintreffen, am 1. Januar 1415, die Genehmigung für den Prozess und die Order erteilte, Hus weiter in Gefangenschaft zu halten. Als einzige Vergünstigung wurde dem Magister ein etwas weniger grauenhaftes Quartier zugestanden. Der Rektor der Universität Prag litt mittlerweile an Gallensteinen und Erbrechen. Man schickte schließlich einen Medicus zu ihm.
Das Rezept, das er ausstellte, landete bei den Franziskanern, und so kam es, dass Magdalena mit der Zubereitung beauftragt wurde. Sie hatte schon so viel über den berühmten Mann aus Prag gehört, dass sie aus Mitleid und gleichzeitig aus Neugier beschloss, ihm an Betzens Stelle die Arznei persönlich zu bringen.
Das Ganze hatte auch den praktischen Hintergrund, dass Betz in der nächsten Zeit überhaupt nicht in der Lage sein würde, Botengänge irgendwelcher Art zu erledigen. Aus rätselhaftem Anlass – über den er allerdings eisernes Stillschweigen bewahrte – wurde er eines Abends von mehreren jungen Männern wüst verprügelt. Mit Müh und Not schleppte er sich nach Hause, wobei er mehr kroch, als lief. Julius Zängle, der ihm ob der späten Stunde persönlich die Tür öffnete, war entsetzt.
»Wie ist das denn geschehen? Hast du Händel gesucht
oder sind andere daran schuld? Du siehst aus, als seiest du unter ein Pferdefuhrwerk geraten!«
Betz, der mehr schlecht als recht ins Haus stolperte, murmelte bloß Unverständliches mit vor Schmerz verzerrtem, blutverschmiertem Gesicht; vor allem seine Nase hatte ordentlich was abbekommen. Auch Magdalena, die mit einem Buch noch in der Stube saß und herbeigelaufen kam, erschrak, als sie den Jungen sah.
»Komm mit, ich werde dich gleich versorgen.«
Sie stützte ihn beim Treppensteigen auf dem Weg hinauf in ihr Stübchen. Dort musste er sich auf ihr Bett setzen, und sie half ihm dabei, die Jacke, sein Wams und das wollene Hemd über den Kopf zu ziehen. Als sein offenbar gebrochenes Nasenbein dabei berührt wurde, schrie er leise auf.
»Herr im Himmel!«, entfuhr es ihr, als sie die zahlreichen Blutergüsse auf Brust und Rücken sah und eine angebrochene Rippe ertastete. Auf ihr eindringliches Befragen, wo genau sich die Prügelei ereignet hatte, murmelte er ziemlich kleinlaut den Namen einer Gasse im Stadtteil Stadelhofen, in der Nähe des Emmishofener Tores – nicht gerade eine sehr »ehrenhafte« Gegend.
Magdalena war bereits versucht, ihn ernsthaft zu tadeln. Das »Was zum Teufel hattest du da zu suchen?« blieb ihr jedoch im Halse stecken, nachdem sie ihn sich genauer angeschaut hatte. Für sie war er bisher nur ein Kind gewesen, ein unreifer Bub – und doch war er in Wahrheit unversehens ein junger Mann geworden. Ein ausgewachsener Bursche mit Bedürfnissen, wie sie all seine Altersgenossen zu plagen schienen … Die Adligen wussten das und verheirateten ihre Söhne oft schon mit fünfzehn oder sechzehn.
Die Bauern ließen sich in der Regel mehr Zeit mit dem Hochzeitmachen – dafür hatten sie den Brauch der sogenannten
Probiernächte eingeführt. Mancher probierte jahrelang,
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