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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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vergrößern.«
    »Ja, mein liebes Kind«, sagte der Notar nachdenklich, »wenn Jan Hus nicht aufhört, die Thesen dieses Wyclif zu verteidigen, sehe ich schwarz für ihn und seine leibliche Unversehrtheit. «
    »Ich soll morgen Vormittag die Arzneien, die ich bereits gestern für ihn zubereitet habe, in sein Gefängnis bringen. Betz mit seinen Blessuren ist ja noch beurlaubt.«
    »Was hat heute eigentlich Frater Gregor dazu geäußert? Wollte er nicht wissen, wie es dazu kam?«, wechselte der Notar den Gegenstand des Gesprächs.
    »Ich habe einfach behauptet, ein betrunkener Fuhrmann habe ihn überrollt. Die Fratres bedauern Betz und wünschen ihm baldige Genesung.«
    »Du sagst ›behauptet‹? Du hast demnach kaltblütig gelogen? « Julius Zängle war verwundert. In aller Regel sagte Magdalena die Wahrheit – auch wenn diese manchmal unangenehm war.
    »Hätte ich den frommen Brüdern etwa auf die Nase binden sollen, dass unser frühreifes Jüngelchen sich vor einem Bordell mit irgendwelchen Kerlen wegen einer Hübschlerin geprügelt hat?«, fragte sie trocken.
    »Oha! Das wusste ich ja gar nicht! Hat Betz dir das etwa freiwillig verraten?«
    Magdalena musste lachen, ehe sie erwiderte: »Sozusagen ja, Vetter! Oder glaubt Ihr vielleicht, ich hätte Betz erst gefoltert? Er schien mir bereits genügend zerschlagen.«
    »Das nächste Mal wird der Bengel sich wohl besser vorsehen. «

    Zu ihrem Erstaunen war damit für Zängle das Ganze erledigt. Wieder einmal fiel ihr auf, dass bei Mädchen und jungen Männern mit zweierlei Maß gemessen wurde. Wofür man eine junge Frau als Hure beschimpft hätte, das befand man bei den Kerlen offenbar als normal …
    Magdalena, die mit einem Mal merkte, wie müde sie bereits war, unterdrückte ein Gähnen und wollte sich bereits erheben, um sich zurückzuziehen, als ihr noch etwas einfiel: »Sagt Vetter, was ist eigentlich mit diesem Wyclif geschehen? «
    »Im Jahr 1381 kam es zu einem Volksaufstand, dessen Anführer jedoch nicht Wyclif war, sondern ein Priester, John Ball aus Kent. In zahlreichen Grafschaften wurden Klöster geplündert, Gefängnisse geöffnet und Steuerakten verbrannt. Zuletzt tötete man sogar den Erzbischof. Dem erst vierzehnjährigen König Richard II. war es zu verdanken, dass der Aufstand schließlich eingedämmt werden konnte. Der entschiedenste Gegner Wyclifs wurde nun der Erzbischof, und der Adel stellte sich gegen seine extremen Forderungen. So zog er sich in seine Pfarrei zurück, wo man ihn offenbar in Ruhe ließ. Ende Dezember 1384 ist er gestorben.«
    Eine Weile war es still in der Wohnstube. Magdalena, die ihren Kopf in die Hand gestützt hatte, hob den Blick. Erleichtert atmete sie auf.
    »Ich befürchtete schon, man hätte ihn umgebracht. Aber was ist mit Euch, Vetter? Ihr seht so traurig aus. Hängt das etwa mit diesem englischen Reformator zusammen?«
    Julius Zängle seufzte. »Der Hass der Kirche auf diesen frommen Mann lodert immer noch so mächtig wie zu seinen Lebzeiten. Hör nur, meine Liebe, was am heutigen Tag als Beschluss des Konzils verabschiedet wurde: Auf dem Friedhof zu Lutterworth, wo Wyclif seine letzte Ruhe gefunden
hat, will man jetzt seine Gebeine ausgraben, um sie wie Abfall in den nächsten Fluss zu werfen.«
    Magdalena war wie erstarrt. Als der Notar sich erhob, seinen schweren Umhang um sich schlang und seine Pelzmütze aufsetzte, reagierte sie überhaupt nicht. Selbst als er leise die Stubentür hinter sich schloss, um das Haus spätabends noch einmal zu verlassen, vermochte sie immer noch kein Glied zu rühren. Zu erwidern gab es darauf wohl nichts mehr …

KAPITEL 33
    DER WEG ZU dem berühmten Jan Hus führte über einen engen Holzsteg, genannt Predigerbrücke, der den einzigen Zugang zum Dominikanerkloster auf der Insel bildete – was es eventuellen Anhängern des Reformators sehr erschweren würde, ihn zu befreien.
    Als Magdalena den Gelehrten zum ersten Mal erblickte in seinem armseligen, eiskalten Kämmerchen mit der schäbigen und spartanischen Einrichtung, die gerade mal aus einem schmalen Bett mit einer viel zu dünnen Decke bestand sowie aus einem Betschemel, erschrak sie zutiefst.
    »Der Magister wird sich den Tod holen in diesem zugigen Verlies«, entfuhr es ihr unwillig, indem sie sich dem sie begleitenden Dominikanermönch zuwandte. Dieser sah sie nur eiskalt an.
    »Es steht Euch nicht zu, darüber zu befinden, Jungfer. Dieser Mann ist unser Gefangener und kein willkommener Gast, für den man große

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