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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Anlass während der Dauer des Konzils die vorgeschriebene Sonntagsruhe zu missachten«, was nichts anderes hieß, als dass sie arbeiten mussten …
    »Oh je! Das ist ja furchtbar!«, entfuhr es Magdalena. Sie war beim Lesen die Schnellere und hatte den schrecklichen Sinn des Ganzen viel eher erfasst als Betz, der zwar des Lesens mächtig war, aber länger brauchte, ehe er den Text Wort für Wort entziffert hatte.
    »Mein Gott! Welche Schande, wenn es stimmt!«, rief auch er nach einer Weile aus.
    »Kann mir vielleicht jemand verraten, worum es sich dreht?«, ließ sich Berta schüchtern aus dem Hintergrund vernehmen.
    »Das ist eine Schmähschrift gegen Papst Johannes! Und zwar eine von der allerschlimmsten Sorte.« Magdalena bekreuzigte sich unwillkürlich.
    »Die Stadt ist voll mit diesen Pamphleten. Man beschuldigt darin den Heiligen Vater ganz schlimmer Verbrechen und fordert seinen sofortigen Rücktritt. Es ist im Übrigen
nicht das erste. Es gab bereits vor etlichen Tagen die ersten rüden Anschuldigungen gegen Johannes XXIII.«
    Der Notar wiegte besorgt sein Haupt, das jeden Tag ein paar graue Haare mehr zeigte.
    »Am schwersten wiegen dabei die Anschuldigung wegen des Giftmordes an Papst Alexander V., den er angeblich begangen hat, um selbst Papst zu werden, und die Behauptung, er habe mit der Frau seines Bruders Ehebruch begangen. Und die Tatsache, dass ihm seine Feinde vorwerfen, er leugne die Auferstehung der Toten und das ewige Leben, wird ihm schließlich den Rest geben.«
    »Wobei die Anmerkung interessant ist, dass die Auferstehungsgeschichte ohnehin kein Neapolitaner für wahr hält«, bemerkte Magdalena, die das Pamphlet zum zweiten Male durchlas. »Jetzt ist mir auch klar, weshalb der Heilige Vater sich so krank fühlt. Er scheint zu ahnen, dass große Schwierigkeiten auf ihn zukommen werden. Bereits für morgen in aller Frühe bin ich wieder zu Seiner Heiligkeit bestellt. Mittlerweile kenne ich jeden Stein auf dem Weg zu ihm.«
     
    »Habt Ihr Euch meinen Vorschlag überlegt, Donna Magdalena? Mein Angebot steht immer noch! Als meine ärztliche Betreuerin hättet Ihr ein angenehmeres und sorgenfreieres Leben als im Hause Eures Verwandten. Als meine ständige Begleiterin könntet Ihr die Welt sehen. Ich werde Konstanz nämlich so bald wie möglich verlassen«, fügte Seine Heiligkeit flüsternd hinzu und beugte sich vertraulich zu Magdalena, die ihm gerade den Puls fühlte.
    »Aber das müsst Ihr für Euch behalten! Falls meine Feinde davon Wind bekämen, dass ich mich mit Abreiseplänen beschäftige, würden sie mich streng bewachen, um das zu vereiteln.«

    »Aber Heiligkeit! Warum wollt Ihr denn die Flucht ergreifen? Noch ist doch gar nichts entschieden. Die Teilnehmer beraten immer noch, und Ihr habt durchaus nicht nur Gegner! Seid Ihr hingegen nicht mehr da, werden Eure Feinde auf jeden Fall triumphieren!«
    Magdalena konnte die Feigheit des ehemaligen Piraten nicht verstehen. Warum wehrte er sich denn nicht? Stimmten womöglich die perfiden Vorwürfe, die inzwischen die Spatzen von den Dächern der Stadt pfiffen?
    »Und was Euren gütigen Vorschlag betrifft, Heiliger Vater, muss ich Euch leider sagen, dass ich in Konstanz bleiben werde. Das Leben bei meinem Vetter Julius ist ein sehr angenehmes. Mehr Reichtum und Ansehen brauche ich nicht und als schlichtes Bürgermädchen bin ich den herrschaftlichen Pomp auch gar nicht gewohnt. Dazu habe ich die Verantwortung für einen Lehrjungen übernommen. Ich stehe bei seinem Vater im Wort, mich um den jungen Burschen zu kümmern, bis er ein fertiger Apotheker ist. Und Bruder Gregor, der Klosterapotheker, rechnet mit mir und meiner Hilfe bei der Krankenversorgung. Sie alle darf ich nicht enttäuschen, Heiligkeit.«
    In Wahrheit wusste die junge Frau genau, dass ihr ein Leben als Mätresse des Papstes bevorstünde – und darauf legte sie absolut keinen Wert.
    »Ich verstehe! Nur mich, den Papst, dürft Ihr schwer enttäuschen, indem Ihr mir meinen Herzenswunsch versagt! Eure Weigerung trifft mich mitten ins Herz und könnte Euch eines Tages noch bitter reuen, Carissima.«
    Obwohl der Heilige Vater bei seinen letzten Worten schelmisch lächelte, klangen sie wie eine deutliche Drohung. Doch Magdalena ließ sich nicht beeindrucken: Der Stern Johannes’ XXIII. war unaufhaltsam im Sinken begriffen.

    Am 5. März 1415 traf die französische Gesandtschaft ohne ihren König ein. Karl VI. wurde von immer wiederkehrenden Anfällen des Wahnsinns geplagt und war

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