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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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war unbändiger Zorn. Welch gemeine Hinterhältigkeit! Es würde sie nicht weiter verwundern, wenn sie den Magister nur retten sollte, damit man ihn später als Ketzer verurteilen konnte …
    Jedes Kind wusste inzwischen, welch entsetzliche Strafe einen standhaften Häretiker erwartete.

KAPITEL 34
    BEDAUERLICHERWEISE BEGANN KÖNIG Sigismund seinen Konstanzer Aufenthalt gleich mit mehreren bösen Entgleisungen. Dass er sich um den widerrechtlich eingesperrten
Jan Hus nicht kümmerte – trotz gegenteiliger Beteuerungen – war eine Sache, die aber nur einige wenige vor Zorn kochen ließ.
    Aber wirklichen Staub wirbelte der Monarch dadurch auf, dass er den Gesandten von Herzog Filippo Maria Visconti von Mailand in den Kerker werfen ließ. Damit wurde zum zweiten Mal das feierlich zugesagte freie Geleit verletzt.
    Nun war allerdings der Mailänder Herzog ein Mann von Macht und großem Einfluss, und ungeachtet seiner Feindschaft mit dem König unterstützten ihn – beziehungsweise seinen Gesandten – die meisten Teilnehmer des Konzils.
    Es hagelte wütende Proteste, und dem Herrscher blieb nichts anderes übrig, als klein beizugeben. »Leute mit Verstand« raunten hinter vorgehaltener Hand, dass sich Sigismund diese Blamage leicht hätte ersparen können. Schwerer wog allerdings die hämische Feststellung, dass seinem Vater selig – Kaiser Karl IV. – so etwas nie passiert wäre.
     
    Die Stadt und ihre Bewohner kamen nicht zur Ruhe: Am 8. Januar traf mit großem Pomp die spanische Delegation ein, mit Vertretern des Königreichs Aragon und Papst Benedikts XIII.
    Vier Tage später konferierte Sigismund mit den Gesandten Papst Gregors und mit Kardinal Dominici, der in Vertretung Papst Benedikts erschien und vom Herzog von Bayern begleitet wurde. Der König fühlte sich in seiner Position gestärkt; augenscheinlich besaß er die Autorität über alle drei Päpste.
    Endlich kam Bewegung in die bis dahin schleppenden Verhandlungen: Die Kardinäle und Gelehrten Guillaume Fillastre und Pierre d’Ailly forderten energisch, alle drei Päpste sollten endlich abdanken und den Weg freimachen für eine
erneute Papstwahl. Die Zeichen standen auf Sturm, und die Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Konzils zerschlugen sich rasch. Der Vorschlag der Kardinäle d’Ailly und Fillastre wurde von der englischen, der französischen und der deutschen Nation diskutiert und schließlich akzeptiert.
    »Es gibt keinen anderen Weg aus dem Dilemma«, hieß es allenthalben. Nun galt es, auch die Italiener davon zu überzeugen. Der Bischof von Toulon nahm es auf sich, den heiklen Vorschlag der italienischen Nation zu unterbreiten. Schließlich stimmte diese ebenfalls zu – wenn auch nur zögernd.
    Das machte den deutschen Erzbischof Johann von Mainz – einen glühenden Anhänger Johannes’ XXIII. – so wütend, dass er unter Protest aus Konstanz abreiste. Aber das änderte nichts: Die Stimmung war endgültig gekippt; der König und die Kardinäle Fillastre und d’Ailly hatten das alleinige Sagen, Johannes war isoliert.
     
    »Ach, Ihr seid tatsächlich schon zu Hause, Herr? Um diese Zeit habe ich noch nicht mit Euch gerechnet«, jammerte Berta. »Ihr müsst mit dem Essen noch warten!«
    »Macht Euch nur keine Gedanken, ich bin nicht hungrig. Aber seht, was ich mitgebracht habe!« Die Haushälterin warf einen kurzen Blick auf das Blatt Papier, das ihr Julius Zängle hinhielt, dann zuckte sie mit den Achseln. »Ihr wisst doch, Herr, dass ich nicht lesen kann.«
    »Jesus, freilich! Entschuldigt bitte! Aber da kommen ja auch schon Betz und Lena. Kommt her und schaut Euch das an!«
    Der junge Bursche und Magdalena begrüßten artig den Hausherrn, ehe sie sich einträchtig über das Schriftstück beugten, das Julius Zängle auf dem Tisch in der Küche ausgebreitet
hatte – direkt neben die vier ausgenommenen Täubchen, die zum Füllen vorbereitet waren. Berta, der es ungeheuer peinlich war, dass der Notar sie sozusagen in der Küche überrascht hatte, wuselte indes mit hochrotem Kopf umher und bemühte sich, die Vögel in Windeseile in den Ofen zu bekommen.
    Man schrieb mittlerweile den 20. Februar, ein Sonntag, der Tag des Herrn, und da durfte der Speiseplan schon ein wenig üppiger ausfallen – obgleich sich für Zängle und seine Dauergäste Magdalena und Betz der Sonntag ansonsten kaum von den übrigen Tagen der Woche unterschied: Sie hatten eine Dauergenehmigung vom Konstanzer Bischof erhalten, die es ihnen gestattete, »aus besonderem

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