Das Erbe der Apothekerin - Roman
Thymiankraut, zerkleinert alles und vermischt es gut miteinander«, befahl sie ihrem Lehrling, und Bernhard machte sich mit Feuereifer daran. Diese Menge der als Tee zu konsumierenden Arznei entsprach der verordneten Dosis pro Patient, und die Vorräte sollten wieder für einige Tage und einige Kranke reichen.
Die Patienten mussten außerdem viel Wasser zu sich nehmen, um den gefährlichen Flüssigkeitsverlust auszugleichen, ein Hinweis, den Magdalena ihnen stets mit auf den Weg gab.
»Dann müsste jeder Befallene eigentlich bald eine deutliche Besserung verspüren«, erklärte sie ihren Mitarbeitern im Hinterzimmer der Apotheke. »Zum Glück geht mit der Krankheit kein hohes Fieber einher.«
»Und wie sollen die Leute diesen Tee zubereiten?«, verlangte Frater Albert, ein noch ganz junger Ordensbruder, zu wissen. Er hatte gerade erst begonnen, sich mit Arzneimittelkunde zu beschäftigen.
Da aber konnte ihm Bernhard, der schon eine Menge gelernt hatte, Auskunft erteilen: »Man muss einen gestrichenen Suppenlöffel voll in einen kleinen Topf tun und mit einem Viertelliter Wasser kurz erhitzen – nicht kochen! –, das Ganze dann etwa fünf Vaterunser lang ziehen lassen und hernach abseihen. Dann soll man den Tee trinken, sobald er nicht mehr allzu heiß ist.«
Der Jüngling schielte nach Magdalena und als er sah, dass sie zufrieden nickte, war er sehr stolz.
»Was macht eigentlich Diarrhöe so gefährlich?«, wollte der junge Klosterbruder wissen. »Wenn einem der Körper mal so richtig durchgeputzt wird, kann das doch nicht schaden, oder?«
Magdalena lachte.
»Der Mensch ist keine schmutzige Stube, Frater Albert, deren Fußboden immer mal wieder mit viel Seifenlauge gereinigt werden muss«, sagte sie. »Beim Durchfall verliert der Körper zu viel Flüssigkeit, zu viel an guten Säften, die er dringend braucht. Wenn dieser Zustand zu lange andauert, macht ihn das schlapp und hinfällig. Das kann bis zum Tod
durch Herzschwäche führen, der Patient trocknet richtiggehend aus. Daher sollten Menschen mit diesem Leiden sehr viel trinken.«
Die Seuche breitete sich rasch rings um den Bodensee aus und griff bald auf das Hinterland über. Wie Zängle erfuhr, traf sie die Bewohner der Stadt Ravensburg ganz besonders hart. Zeitweilig kam das öffentliche Leben dort fast völlig zum Erliegen, weil die Betroffenen sich entweder keuchend auf ihren Lagern wälzten oder halbe Tage stöhnend auf dem Abtritt verbrachten. In Konstanz mussten die Konzilsverhandlungen im Münster für eine Woche unterbrochen werden.
»Das ständige Entweichen stinkender Darmwinde macht eine Konferenz an diesem heiligen Ort unmöglich«, erklärte der Notar ganz ernsthaft, aber Berta und auch Magdalena verbissen sich nur schwer das Lachen und platzten erst los, als Bernhard noch seinen Senf dazugab:
»Stellt euch vor, rings um euch herum donnerndes Gefurze! Wie soll da einer noch einen vernünftigen Gedanken formulieren? Kaum meldet sich eine dieser theologischen Koryphäen zu Wort, muss er nach einem Satz wieder aufhören, die Backen zusammenkneifen und machen, dass er hinaus auf den Abtritt kommt.«
»Wo dann bestimmt schon ein anderer sitzt und stöhnt«, fügte Berta kichernd hinzu, die dank Lenas Heiltränklein keinerlei Beschwerden hatte.
»Ja, das kam tatsächlich dauernd vor«, bestätigte grinsend der Notar. Auch er konnte sich der allgemeinen Heiterkeit nicht mehr entziehen. »Vor den drei Aborten standen bisweilen Schlangen edler, gelehrter Herrschaften, die sich ächzend den Bauch hielten und dabei inständig hofften, sich nicht die Hosen vollzumachen.«
Jetzt lachten alle vier schallend. Allein die Vorstellung war zu komisch – obwohl die Krankheit an sich für die Betroffenen keineswegs lustig war.
»Wird nicht mehr lange dauern und die Eidgenossen trifft’s auch«, unkte Bernhard, und niemand widersprach; solche Seuchen schienen mit dem Wind zu fliegen.
»Das übliche dumme Geschwätz von der Brunnenvergiftung durch die Juden unterbleibt dieses Mal wenigstens, weil die Hebräer von der Krankheit genauso stark betroffen sind wie die Christen«, stellte Magdalena mit Befriedigung fest.
Was ihr die nächsten Tage zunehmend Sorgen bereitete, war, dass ihre Behandlung bei Frater Gregor so gar nicht anzuschlagen schien. Im Gegenteil, es ging dem Apotheker immer schlechter. Magdalena war hin und her gerissen. Sie glaubte ein geeignetes Mittel zu kennen, dass auch in schwereren Fällen zu helfen vermochte.
Das
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