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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Ausdünstungen der Hölle verbreitet.«
    Als endlich der Leichnam verkohlt war, luden die Henkersknechte die irdischen Überreste des Reformators auf einen Schubkarren, fuhren damit zum Rheinufer und versenkten sie im Fluss.
    Von diesen Männern wurde später auch verbreitet, ein Kardinal habe ein verendetes Maultier an der Hinrichtungsstätte vergraben lassen – aus genau dem Grund, den Magdalena bereits vermutet hatte: Durch die Hitze des brennenden Reisighaufens platzte das Erdreich auf, und der Verwesungsgestank wurde freigesetzt.
    Die Bilder jenes Tages gingen Magdalena nicht mehr aus dem Kopf, und eine Zeit lang schreckte sie nachts aus schweren Träumen auf, in denen sie das schmerzverzerrte Gesicht des sterbenden Jan Hus vor sich sah, umrahmt von einem Flammenkranz. Erst nach und nach wich das Grauen in ihrer Erinnerung jenen Augenblicken, in denen sie ihn in seiner Zelle versorgt und ihn als aufrechten und unerschrockenen Kämpfer kennengelernt hatte.
     
    In Konstanz bestand inzwischen Einigkeit darüber, dass das Konzil auch ohne Papst nicht aufgelöst sei. Solange so viele Aufgaben noch ihrer Lösung harrten, dürfe zudem kein weiterer Teilnehmer mehr die Stadt verlassen. Damit stellte sich das Konzil eindeutig gegen den geflohenen Johannes XXIII., der inzwischen rechtskräftig verurteilt worden war. Man schaffte einen Goldschmied herbei, der das päpstliche Siegel und den kostbaren Fischerring zerbrach. Am 3. Juni 1415 wurde Baldassare Cossa in das befestigte Schloss Gottlieben verbracht, wo er – welch eine Ironie des Schicksals – im selben Kerker einsaß wie vor ihm Magister Hus.

    Von »Baldo« ginge fortan keine Gefahr mehr aus. Magdalena, die mit einigem Entsetzen den Prozess gegen ihn und sein täglich länger werdendes Strafregister verfolgt hatte, musste dennoch auch immer daran denken, wie großzügig er sich ihr gegenüber erwiesen und welch inspirierende und interessante Gespräche sie mit ihm geführt hatte. Das, was in den Chroniken stand, war doch immer nur ein Teil der Wahrheit, dachte sie nicht zum ersten Mal.
     
    Die Einwohner von Konstanz und Umgebung nahmen den Entschluss, das Konzil weiter tagen zu lassen, überwiegend mit großer Genugtuung auf. Die Menschenmassen, die sich in den engen Gassen drängten, ließen doch jede Menge Geld in den Händen geschäftstüchtiger Bürger. Jeder kleine Lastenträger, jede schlichte Putzmagd, jeder Botenjunge und alle Weinkellnerinnen besaßen die Möglichkeit, sich ein Zubrot zu verdienen, und auch der Stadtkämmerer freute sich über den reichen Geldsegen, der in seine Kasse floss.
    Ein Nachbar Zängles, ein äußerst geschäftstüchtiger Bürger, verkaufte gar die Dienste seiner Ehefrau an Kanzleiangestellte des Königs. Sie verdiente dabei fünfhundert Dukaten, von denen der Ehemann sich ein weiteres Haus in Konstanz kaufte.
    Über die beinahe täglich erfolgenden Pöbeleien und Schlägereien, sogar über einige tödlich verlaufende Messerstechereien sah nicht nur der Stadtvogt Hans Hagen großzügig hinweg; nach jeweils kurzer Untersuchung des Falles wurde der Mantel des Schweigens darüber gebreitet: Das Gefängnis der Stadt reichte ohnehin nicht aus, alle ausländischen Kriminellen aufzunehmen.

KAPITEL 37
    DIE NÄCHSTEN WOCHEN brachten für Magdalena und Bernhard in der Apotheke so viel Arbeit mit sich, dass sie meist erst nach Mitternacht todmüde nach Hause wankten und sofort auf ihr Lager fielen, um dieses bereits beim ersten Hahnenschrei erneut zu verlassen.
    Eine Seuche hatte sich in Konstanz ausgebreitet, die mit Leibschmerzen, quälenden Blähungen und schwerem, wässrigem Durchfall einherging. Bruder Gregor, der selbst zu den Erkrankten gehörte, musste das Bett in seiner Zelle hüten. Schweren Herzens überließ er Magdalena das Regiment in »seiner« Apotheke.
    Sie hielt Bernhard und die anderen Helfer dazu an, Kümmel, Koriander und Fenchel in großen Mengen im Mörser zu zerstoßen. Diese Mischung vermengten sie mit zerriebenen Pfefferminzblättern und Tausendgüldenkraut. Die Kräuterextrakte, in hochprozentigem Alkohol angesetzt, sollte von den von Blähungen und Bauchschmerzen Befallenen vor jeder Mahlzeit eingenommen werden, wobei Magdalena jeweils dreißig Tropfen des Elixiers empfahl, um dem peinlichen Übel abzuhelfen.
    Für den weitaus gefährlicheren Durchfall hatte sie noch andere Mittel parat.
    »Wiegt jeweils zehn Gramm Blutwurz ab, dazu die gleiche Menge an Ruprechtskraut, Nelkenwurz, Eichenrinde und

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