Das Erbe der Apothekerin - Roman
beschlich. Dann aber ging ihm auch durch den Kopf, dass das Alleinsein seine Vorteile hatte: Der lästigen Pflicht, »häuslicher« zu werden, war er nun wohl ein für alle Mal entbunden. Denn er erwartete eher weniger, in seinem Alter noch eine heiratswillige Frau zu finden.
Berta freute sich darauf, endlich einmal aus Konstanz herauszukommen und anderes zu tun zu haben, als immer nur zu putzen, zu waschen und zu kochen.
Und Magdalena sah mit Vergnügen einem längeren Beisammensein mit ihrem attraktiven Vetter Albrecht entgegen, dem sie wider Erwarten ein gewisses Interesse entgegenbrachte – und das war eindeutig nicht nur verwandtschaftlicher Natur. Es stimmte: Er sah tatsächlich dem verstorbenen
Rolf Reichle ein wenig ähnlich … Dazu fieberte sie einer Begegnung mit ihrer Muhme entgegen. Sie hatte ihr so vieles zu erzählen und hoffte andererseits darauf, von der klugen Hebamme und Heilerin noch einiges zu lernen.
Möglicherweise ergab sich auch die Gelegenheit, ihrem Oheim Mauritz gegenüberzutreten. Die Angst vor ihm hatte sie inzwischen verloren – außerdem wäre sie dieses Mal gut bewacht!
Und dann waren da noch die Gräber ihrer früh verstorbenen Mutter und ihres Vaters sowie von Großmutter Elise. Für sie alle wollte sie beten und bei Pfarrer Simon Messen für ihre armen Seelen bestellen.
Und, wer weiß? Vielleicht traf sie sogar auf Konrad, ihren ehemaligen Bräutigam? Ein wenig bange vor einer Konfrontation mit ihm war ihr zwar schon, aber es war mittlerweile so viel Zeit vergangen, dass sie sicher war, ihm ohne Groll und Streit begegnen zu können.
»Von unserem Kind werde ich ihm lieber nichts sagen«, nahm sie sich vor. »Dafür werde ich ihm nachträglich zu seiner Heirat mit Renata Feucht alles Gute wünschen.«
Dass in Wahrheit ihre Gefühle nicht ganz so geordnet waren, wie sie selbst es sich gern vorgemacht hätte, und dass sie sich in Wirklichkeit von einer Begegnung mit Konrad noch etwas ganz anderes als nur eine Versöhnung erhoffte, davor verschloss sie buchstäblich die Augen, indem sie endlich in den wohlverdienten Schlaf hinüberglitt.
Albrecht von Meinrad, der in dieser Nacht für seine Verhältnisse ungewöhnlich spät ins Quartier des Königs zurückkehrte, musste seinen Freunden genauestens Rede und Antwort stehen.
»Eigentlich gehört Ihr doch zu den eher soliden Burschen,
die sich früh zu Bett begeben«, frotzelte einer aus Sigismunds Begleitung gutmütig. »Also, sagt schon, Herr Albrecht: Wie heißt die Schöne?«
Albrecht lachte bloß.
Als sie weiter in ihn drangen, ließ er sich dazu herab, ihnen ihren Beinamen »Rose von Konstanz« zu verraten. Er konnte es zwar kaum glauben, aber diese Bezeichnung war allen geläufig.
Fast war er sich sicher, dass bereits am nächsten Morgen in der Stadt ein freches Liedchen irgendeines Witzbolds die Runde machen würde. Einerseits ärgerte er sich darüber, so viel preisgegeben zu haben, andererseits machte es ihn stolz und glücklich.
Er freute sich unbändig auf die nächsten paar Wochen, die ihn auf enge Tuchfühlung brächten mit dieser ungewöhnlich schönen und klugen Base, von deren Existenz er so lange gar nichts gewusst hatte.
Der einzige, der voll Groll sein Lager aufsuchte, war Betz. Ihn hatte keiner gefragt, ob er Frau Lena begleiten und beschützen wollte! Er durfte weiter bei den Mönchen Teesäckchen abfüllen, Kräuter zerstampfen und mischen, Pflanzensäfte destillieren und kreuz und quer in der Stadt herumlaufen, um die Kunden zu beliefern.
»Verdammt!« Wütend schlug er mit der Faust auf sein hartes, mit klumpigen Entenfedern gefülltes Kopfkissen. Er würde es morgen endlich gegen ein Polster austauschen, das mit weicher Schafwolle ausgestopft war.
»Warum darf ich nicht mit, sondern dieser herausgeputzte Kerl?«, fragte er sich zum hundertsten Male. »Freilich! Er gehört zu des Königs Mannen! Und wer bin ich? Der armselige Sprössling eines elenden Hüttenwirts in den Alpen.«
Dann sprach der Bursche wie üblich sein Nachtgebet, das er heute jedoch mit dem wenig frommen Nachsatz versah: »Herr Albrecht! Nehmt Euch ja in Acht und behandelt mir Frau Lena gut! Sonst soll Euch der Teufel holen – und ich werd’ ihm helfen dabei. Und das schwör’ ich bei Gott, dem Allmächtigen!«
KAPITEL 41
MAGDALENA HATTE KEINE Mühe, Frater Gregor von der Wichtigkeit ihres Besuchs bei Gertrude zu überzeugen. Der ältere Mönch war ihr noch immer von Herzen dankbar, dass sie es gewagt hatte, ihn auf
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