Das Erbe der Apothekerin - Roman
Liebkosungen.
»Sobald Ihr bei mir seid, Liebster, fühle ich mich wohl und munter.«
Sie bemühte sich, gesünder zu erscheinen, als sie es in Wahrheit war. Sie hegte einen bestimmten, bösen Verdacht, und ein Blick auf ihren rechten Arm, der aufgrund des verrutschten Ärmels sichtbar wurde, schien diesen zu bestätigen: Sie wurde von Tag zu Tag zusehends magerer. Ja, sie schwand förmlich dahin, und diese Krankheit nannte man
auch bezeichnenderweise die Schwindsucht – und sie verlief tödlich, wie Renata wohl wusste.
Bemüht darum, ihrem Mann den Anblick ihres knochigen Oberarms zu ersparen, ließ sie Konrad abrupt los und versteckte vorsorglich beide Arme unter der Bettdecke.
»Ist Euch kalt, Liebste?«, fragte er, und seine Stimme klang besorgt.
»Nur ein wenig«, flüsterte sie – voll Angst, das Sprechen könne erneut einen ihrer schrecklichen Hustenanfälle auslösen. Und tatsächlich! Bereits der Gedanke daran bewirkte den nicht zu unterdrückenden Reiz in Brust und Kehle. Sie konnte gar nicht mehr aufhören, so sehr schüttelte der trockene Husten ihren Oberkörper. Die ausgezehrte Renata keuchte, schnappte jämmerlich nach Luft und hustete sich schier die Lunge aus dem Leib.
Da kam Konrad, dessen Herz vor Mitleid schier zerfloss, als er seine Frau sich so quälen sah, eine Idee. Sie hatte zwar mit Magdalena zu tun – aber dieses Mal ließ er den Gedanken uneingeschränkt zu: Er erinnerte sich daran, wie sie es einst vollbracht hatte, seinen Vater, den eine schlimme Erkältung über Wochen hinweg peinigte, zu kurieren.
Man ließ seinerzeit den Stadtmedicus kommen, aber dem fiel nichts anderes ein, als den ohnehin geschwächten Albrecht zur Ader zu lassen. Konrad hatte den Mann ausbezahlt und ihn dann höflich aus dem Haus hinauskomplimentiert. Anschließend schickte er eine Magd zum Apotheker Georg Scheitlin, um ihn um Hilfe zu ersuchen.
Georg, der selbst gerade keine Zeit hatte, schickte seine Tochter Magdalena, die damals knapp sechzehn war, zu den Grießhabers. Und was das Mädchen seinem Vater riet, hatte damals in der Tat ein kleines Wunder bewirkt:
»Ihr müsst den festsitzenden Schleim in Eurer Brust loswerden«,
meinte die Kleine als Erstes, worauf Albrecht und Konrad nur müde gelächelt hatten. So schlau war auch der Stadtarzt gewesen – und das wussten sie selbst auch. Die Frage war doch: Wie sollte das gehen?
»Lasst Euch Huflattichblätter besorgen, Herr«, erklärte das Mädchen daraufhin. »Diese müssen sorgfältig gewaschen und in ganz feine Streifen geschnitten werden, so fein wie die Nudeln, die Ihr in Eure Fleischsuppe zu tun pflegt. Diese Streifen lasst Euch von Eurer Köchin unter den üblichen Salat mischen, und dann esst davon, so viel Ihr könnt.
Ihr werdet sehen, das hilft Euch, Herr!«
Ungläubig zwar, aber dennoch neugierig hatte Albrecht Grießhaber getan, wie ihm geheißen. Und siehe da! Der Schleim hatte sich gelöst – und wie!
»Ganze Betttücher voll Rotz und Schleim mussten die Mägde waschen«, pflegte der alte Grießhaber anschließend erstaunt zu verkünden. »Aber damit war der furchtbare Husten vorbei. Das gescheite Kind hat wirklich einiges von seinem klugen Vater gelernt!« Das war Konrads erste, ernst zu nehmende Berührung mit Magdalena gewesen. Seit jenem Tag waren ihm ihr energisches Wesen und ihre Anmut nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Sie hatte damals freilich nur Augen für seinen kranken Vater und würdigte ihn kaum eines Blickes …
Rasch verdrängte der junge Mann jedes weitere Nachsinnen. Es ging jetzt ausschließlich um Renata.
»Ich glaube, wir sollten es mit etwas ganz anderem versuchen«, meinte er leichthin, als der schreckliche Anfall endlich vorbei war. »Das Zeug des hiesigen Heilers hat nichts gebracht, Liebste. Jetzt ist es Zeit für etwas, wovon ich überzeugt bin, dass es Euch bald wieder genesen lässt.«
»Dass Mauritz kein sehr guter Mensch ist, habe ich immer geahnt, aber dass er zu solch einer Bosheit fähig ist – das hätte selbst ich ihm nicht zugetraut.«
Elise Scheitlin war schlichtweg entsetzt, als die noch immer sehr aufgewühlte Magdalena ihr alles berichtete.
»Es ist bitter für eine Mutter, wenn sie sich eingestehen muss, dass eines ihrer Kinder ein absoluter Taugenichts ist. Aber ich kann die Augen nicht davor verschließen, dass mein Sohn Mauritz ein elender Lügner, Intrigant und Betrüger ist.«
Die alte Frau reckte die Arme nach oben. »Herr Gott im Himmel, warum hast du mir Georg genommen?
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