Das Erbe der Apothekerin - Roman
meine Stube, Lenchen«, konnte der Hausherr gerade noch hören, ehe die Stimmen der beiden Weiber, die er am meisten hasste, im Stiegenhaus verklangen. Mauritz hielt von Frauen im allgemeinen nicht viel; die meisten – einschließlich seiner eigenen – verachtete er als minderwertig, den Männern weit unterlegen, sowohl geistig als auch moralisch.
Aber die eigene Mutter verabscheute er bereits seit seinen frühen Knabenjahren. Er spürte instinktiv, dass die kluge Frau ihn durchschaute – und alles an ihm missbilligte: seine Faulheit, seine Missgunst, seine Verschlagenheit und seine, wenn auch nur gelegentlich durchschlagende, gefährliche Aggressivität. Das hatte sie ihm schon längst zu verstehen gegeben …
Seine Nichte Magdalena schien aus dem gleichen Holz geschnitzt wie die Alte – und daher bereitete es ihm eine diebische Freude, sie als ein von sich, seinem Gutdünken und seiner Barmherzigkeit abhängiges Wesen betrachten zu dürfen.
»Verkriech dich nur bei der Alten, du dummes Luder«, knurrte er hämisch. »Ich werde jedenfalls die Obrigkeit von deiner Flucht informieren! Die Klosterknechte sollen wissen, wo sie dich abholen können!«
»Aber, Mauritz, ich bitte Euch inständig! Sie ist doch Euer Fleisch und Blut! Ihr könnt sie nicht verraten!« Die vor Aufregung im Gesicht hochrote Margret rang hilflos die Hände.
»So? Kann ich nicht? Ich muss es sogar tun! Das ist meine Pflicht als ehrenwerter Bürger und Christ. Klosterflucht ist kein einfaches Vergehen, sondern ein Verbrechen, das schwer geahndet wird. Wenn ich behilflich bin, die Entlaufene wieder einzufangen, bringt mich das zudem den Nonnen gegenüber in eine bessere Position: Vielleicht kann ich auf diese Weise die Höhe der Mitgift für Magdalena noch etwas herunterhandeln!«
»Könnt Ihr immer nur ans Geld denken, Mauritz?«, klagte Margret und verzog ihre schmalen Lippen.
»Woran denn sonst, du albernes Frauenzimmer? Außerdem ist mein Mündel selber schuld: Warum hat sie sich nicht gleich aus dem Staub gemacht? Wer hat sie geheißen, erneut hierherzukommen?«
Damit ließ der Bader Mauritz Scheitlin seine Frau einfach stehen.
Magdalena hatte sich indes in Elises bescheidener, aber gemütlicher Wohnstube in einen tiefen Lehnsessel fallen lassen. Sie zitterte am ganzen Körper und fühlte sich erst ein wenig sicherer, nachdem Elise den schweren Riegel an der Eingangstür vorgeschoben hatte. Nachdenklich musterte die alte Frau ihre verstörte Enkelin und begab sich dann wortlos an den Herd, um eigenhändig einen starken Tee aufzubrühen.
KAPITEL 7
»MEINE LIEBE, WIE fühlt Ihr Euch heute morgen?«
Besorgt beugte sich Konrad Grießhaber über seine immer noch im Bett liegende Ehefrau Renata. Sie, die im kommenden
Monat Mai ihren neununddreißigsten Geburtstag feiern sollte, kränkelte seit der Abfahrt von Ravensburg. Bereits mehrfach hatte der gesamte Handelszug ihretwegen Rast machen müssen.
Zu Anfang, unmittelbar nach der Hochzeit, hatte sie ihre Leiden zu verbergen gewusst – vor allem des Nachts. Da wollte sie sich keine Blöße geben. Ihr Gemahl war temperamentvoll und immerhin vierzehn Jahre jünger. Und sie hoffte so sehr, schwanger zu werden, dass sie sich überwand und ihm jugendliches Feuer vorspielte – genau wissend, dass Konrad sie nicht wirklich liebte.
Sich in diesem Punkt irgendwelchen schönen Illusionen hinzugeben, dazu war sie zu sehr von ihrem bisherigen Leben geprägt. Aber ihr Mann sollte sie wenigstens respektieren und nicht so bald mit einer anderen betrügen. Sie war sich sicher, dass zahlreiche Frauen – jüngere und schönere als sie – ihn mit Kusshand genommen hätten, selbst ohne sein Vermögen.
Ihr Beichtvater hatte sie zwar vor dem Höllenfeuer gewarnt und ihr ausdrücklich verboten, sich dem Geschlechtsgenuss mit Lust und Leidenschaft hinzugeben: Eine ehrbare, christliche Ehefrau fügte sich lediglich den triebhaften Wünschen ihres Gemahls – ohne dieselben zu teilen oder gar anzufachen …
Aber das kirchliche Verdikt kümmerte Renata kaum. Je mehr sie Konrads Sinnlichkeit anstachelte und ihn restlos befriedigte, umso größer waren ihre Chancen, ihn für sich einzunehmen und zu halten – wenigstens für die nächsten Jahre. Und sollte sie wirklich schwanger werden, wäre ihre Position ohnehin erst einmal gefestigt.
So hatte die Witwe keine Bedenken, sich auch solcher Praktiken zu bedienen, welche von der Kirche verabscheut und – da besonders Lust spendend – natürlich verboten
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