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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Nacht und Nebel aus meinem Vaterhaus geflohen bin.«
    »Nein! Das werde ich nicht zulassen, Magdalena. Hör zu! Ich kenne jemanden, zu dem du dich flüchten kannst. Sie ist eine unerschrockene Frau, die das Herz auf dem rechten Fleck hat und die sehr gut weiß, wie man sich als Ausgestoßene fühlt. Du kannst ihr in allem vertrauen! Ich bin ganz sicher, dass sie dir helfen wird.«
     
    Die nächste Stunde verging damit, dass die Alte dem jungen Mädchen einiges über die Helferin, die sie für ihre Enkelin ins Auge gefasst hatte, erzählte. Dabei kamen auch einige »Familiengeheimnisse« ans Tageslicht, in die Magdalena von ihrer Großmutter eingeweiht wurde.
    Einige Zeit verwandten die beiden Frauen anschließend darauf, Mauritz’ Mündel mit Hilfe von Elises Zofe Auguste einer gründlichen Körperreinigung zu unterziehen und sie mit frischer Kleidung zu versorgen. Der graue Fetzen samt Schürze aus dem Kloster wanderte ins Feuer, desgleichen die primitiven Sandalen.
    »Großmutter, Ihr habt mir so viel in mein Bündel gepackt, dass ich es kaum noch schleppen kann«, lachte Magdalena. Sie hatte inzwischen wieder ein wenig Mut gefasst. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie es nicht schaffte, ihr Leben, das erst am Anfang stand, wieder in den Griff zu bekommen – trotz aller Widrigkeiten.
    Schließlich war sie jung und gesund – und vor allem fleißig und gescheit, wie ihr selbst durchaus bewusst war. Das Apothekerhandwerk, das sie von ihrem Vater gelernt hatte, würde ihr und dem Kind schon das Auskommen sichern, notfalls auch ohne Mann. Das Einzige, was Magdalena im Augenblick fehlte, war eine gute Seele, die ihr ein wenig unter
die Arme griff und ihr nicht noch zusätzlich einen Fußtritt versetzte.
    Nachdem die alte Frau ihre Enkelin mehrmals an sich gedrückt, sie geküsst und mit dem Kreuzzeichen gesegnet hatte, steckte sie ihr noch einen Lederbeutel von beträchtlichem Gewicht zu.
    »Ich brauche das Geld nicht mehr«, behauptete die Großmutter.
    »Mein Unterhalt ist durch Einlagen bei der Ravensburger Handelsbank mehr als gesichert, und für mein Begräbnis kann meinetwegen ruhig Mauritz aufkommen – von dem Geld, das er ohnehin dir gestohlen hat.«
    Der Elise treu ergebene Knecht Gandolf stand schon bereit, um die Tochter des Hauses, die sich wie eine lästige Bettlerin davonschleichen musste, in die Nacht hinaus zu begleiten. Der Mann schulterte den prall gefüllten Sack, während Magdalena die Geldkatze unter ihren Röcken verstaute.
    »Pass ja auf, Gandolf, dass ihr dem Nachtwächter nicht über den Weg lauft«, flüsterte die Großmutter noch, als die beiden das hofseitig gelegene, überdachte Treppenhaus betraten; zum Glück besaßen Elises Räume zwei Ausgänge.
    So gelangten sie in den Innenhof, dessen großes Hoftor des Nachts zwar verschlossen war, zu dessen Seitentür der Knecht allerdings einen Schlüssel besaß. Unbemerkt traten sie in die Dunkelheit hinaus.
    Ohne sich noch einmal umzuschauen, ließ Magdalena das Haus, in dem sie einst geboren und glücklich aufgewachsen war, hinter sich.

KAPITEL 8
    MAGDALENA WAR – UNGEACHTET der großmütterlichen Beschwichtigungen – außerordentlich bange vor der Begegnung mit Gertrude. Natürlich kannte sie die große, magere, vornehm erscheinende Gestalt, die stets in schwarzen, seidenen Gewändern und einer mit schwarzen Bändern verzierten Witwenhaube, mit einem Henkelkorb am Arm, durch die Straßen der Stadt Ravensburg schritt, ohne nach rechts und links zu blicken, eine Magd in angemessenem Abstand hinter sich.
    Nicht wenige der Einwohner fürchteten die etwa fünfzig Jahre zählende Frau. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte man von »geheimen Künsten«, die sie angeblich beherrsche. Wen sie nicht leiden könne, den verzaubere sie: Das lernten schon die kleinen Kinder von ihren Müttern. Dennoch pflegten die vermögenden Bürgersfrauen nach ihr zu schicken, sobald sie in Kindsnöten darniederlagen und die anderen Wehmütter mit ihrer Kunst am Ende waren.
    Auch sonst holte man sich gerne bei Gertrude medizinischen Rat – vor allem, wenn es sich um Dinge heiklerer Natur handelte. Es war stadtbekannt, dass sie es vortrefflich verstand, auch Herren fortgeschritteneren Alters auf eine Ehe mit einer um vieles jüngeren Frau »vorzubereiten« …
    Selbst in scheinbar aussichtslosen Fällen gelang es ihr nicht selten, Ehepaaren zu Elternfreuden zu verhelfen – genauso wie sie es angeblich zuwege brachte, ungewollte Schwangerschaften ganz

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