Das Erbe der Apothekerin - Roman
Betz weiterhin anvertrauen will.«
»Tut das recht bald, Donna«, sagte der Mönch freundlich und erhob sich, um ins Kloster zurückzukehren. Magdalena jedoch blieb noch eine Weile auf dem Felsen in der spätsommerlichen Nachmittagssonne sitzen. Sie genoss die wärmenden Strahlen auf ihrer Haut und merkte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie doch mehr an ihrem Leben hing, als sie gedacht hatte – auch wenn es nie wieder so wie früher sein würde.
»Wenn ich heute Abend an Rolfs Grab stehe, werde ich ihm sagen, dass ich mit dem Jungen bald nach Schwaben zurückkehre«, nahm sie sich vor. Sie war sich sicher, dass ihr Verwandter – wo immer er jetzt auch sein mochte – ihre Entscheidung begrüßen würde. Mittlerweile war es ihr zur lieben Gewohnheit geworden, jeden Tag mit ihrem toten Vetter auf dem kleinen Klosterfriedhof Zwiesprache zu halten über Dinge, die sie oder Betz betrafen.
»In Konstanz werde ich dein Grab und das meines Kindes schmerzlich vermissen, du Lieber«, dachte sie am Abend traurig und legte gewohnheitsmäßig einen Zweig mit einer Heckenrose auf dem noch frischen Erdhaufen nieder. Im letzten Dämmerlicht hing sie noch der Erinnerung an den jungen Schmied nach, ehe sie mit Einbruch der Dunkelheit ins Gästehaus des Klosters zurückkehrte. Nach ihrer Genesung war sie dorthin umgezogen – kein gesundes weibliches Wesen durfte sich innerhalb der Mönchsabtei aufhalten.
KAPITEL 23
JE NÄHER DER Aufbruch nach Deutschland rückte, umso mehr verschlechterte sich die Stimmung von Papst Johannes XXIII.
»Weshalb habe ich nicht darauf beharrt, dass diese ehrwürdige Versammlung in Italien stattfinden muss?«, fragte er sich und seinen Sekretär beinahe jeden Tag verdrießlich. Don Severino schüttelte dann jedes Mal den Kopf und meinte ungerührt: »Eure Heiligkeit wissen genau, dass der sture Sigismund sich niemals darauf eingelassen hätte. Dem Herrscher liegt nun einmal daran, das deutsche Reich aufzuwerten.
Und was wäre dazu besser geeignet als ein allgemeines Konzil? Aber, Heiligkeit, macht Euch keine Sorgen! Wie es aussieht, wird außer Euch keiner der zwei Möchtegern-Päpste in Konstanz auftauchen!« Der Prälat lächelte überlegen. »Ihr wisst, was das bedeutet, Heiliger Vater?«
»Nein. Was denn?«, fragte Baldassare Cossa unwirsch. Er hasste es ohnehin zu reisen. Und nun gar zu den griesgrämigen Tedeschi, ins nasskalte unfreundliche Deutschland! Normalerweise hätte er niemals auch nur in Erwägung gezogen, seinen Fuß auf deutschen Boden zu setzen.
»Nun«, begann Don Severino umständlich und ordnete erst einmal die Falten seiner schwarzen Seidensoutane.
»Macht es um Christi willen nicht gar so spannend, mein Lieber.« Johannes XXIII. schien bereits wieder aufs Äußerste genervt – sein ungeduldiger Tonfall verriet es.
»Das liegt doch klar auf der Hand, Heiligkeit! Wer nicht anwesend ist, kann auch nicht gehört werden. Und wer nicht gehört wird, dessen Argumente werden auch nicht vernommen. Also: Eure beiden Mitpäpste werden keinerlei Unterstützung auf dem Konzil finden. Ihr seid der einzige Kandidat, und demnach wird man auch Euch als den allein gültig gewählten Papst anerkennen! Damit ist das unselige Schisma beendet, und kein Hahn wird mehr nach Benedikt XIII. oder nach Gregor XII. krähen. Nach Beendigung des Konzils wird es nur noch einen Heiligen Vater geben: Johannes XXIII.«
»Euer Wort in Gottes Ohr, Don Severino.«
Für den Augenblick schien sein Herr besänftigt, und der Sekretär atmete auf. Überhaupt ließ sich manches einfacher an, als er befürchtet hatte: Wahrhaft gegraut hatte es ihm vor der unerfreulichen Auseinandersetzung mit des Papstes letzter Mätresse. Die Dame bewies jedoch Haltung – wenigstens nach außen hin. In ihrem Inneren mochte es anders
aussehen; Severino war beinahe sicher, dass Donna Sofia Lucrezia ihrem untreuen Liebhaber die Hölle wünschte.
Aber Hauptsache sie machte kein unnötiges Theater, sondern verschwand genauso diskret aus dem Leben des Heiligen Vaters, wie sie aus dem Palast des einstigen Seeräubers auszog. Don Severino beauftragte zwei besonders vertrauenswürdige Diener damit, der so schnöde abgefertigten Mätresse beim Packen behilflich zu sein. In Wahrheit hatten sie Order, Sorge dafür zu tragen, dass die Dame nicht mehr mitgehen ließ, als sie einst bei ihrem Einzug mitgebracht hatte …
Die Abreise Magdalenas verzögerte sich um Wochen: Unversehens war der Oktober angebrochen, und sie war noch
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