Das Erbe der Apothekerin - Roman
Hilfe wäre ich wohl elend verblutet. Gott lohne Euch Eure Mühe, Bruder Johannes.«
»So meinte ich es nicht, Donna«, wehrte der junge Mann ab. »Nicht mir sollt Ihr danken, sondern unserem göttlichen Herrn und Vater! Ich weiß, welch harte Prüfung Euch der Herr auferlegt hat, als Er Euren Vetter Rudolf Reichle sterben ließ – aber bedenkt, dass der Knabe Betz noch lebt. Und für diesen Jungen tragt Ihr jetzt die Verantwortung. Statt Eures Verwandten seid Ihr nun seine Herrin. Ihr habt gleichsam an seines Vaters Stelle die Munt über ihn, solange der Knabe sich bei Euch befindet.«
»Das ist wahr«, erwiderte Magdalena leise. »Nur um seinetwillen
will ich bald wieder ganz gesund sein, um mich um sein Wohl zu kümmern – wenn ich auch noch nicht weiß, wie das gehen soll. Die Räuber haben mir nichts gelassen – außer den Fetzen, die ich nach dem Überfall am Leibe trug.«
»Wenn Ihr bereit seid, das Kloster und seine Obhut zu verlassen, werdet Ihr und Betz vom Vater Prior Gewänder aus den Spenden der Reichen aus den umliegenden Dörfern erhalten, damit Ihr Euch sehen lassen könnt. Alles, was Ihr für den Anfang zum Leben braucht, wird man Euch geben, Donna, dafür verbürge ich mich. Ihr müsst nur sagen, wann Ihr bereit sein werdet. Aber fühlt Euch keinesfalls gedrängt; Ihr müsst Euch tatsächlich imstande fühlen, Euer Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Habt Ihr Euch schon überlegt, was Ihr in Zukunft tun wollt, Donna Lena?«
In den zahlreichen Stunden und endlos langen Nächten, die Bruder Johannes an ihrem Lager im Infirmarium, der Krankenstation des Klosters, gewacht hatte, öffnete ihm die junge Frau Stück für Stück ihr Herz und ließ ihn teilhaben an ihrem Unglück:
Angefangen von der verbotenen Liebesnacht mit Konrad und ihren Folgen, vom Tod des Vaters, dem Aufenthalt im Kloster und den Machenschaften ihres Oheims, der ihr das Erbe vorenthielt, bis zu der Tatsache, dass ihr Bräutigam sich von ihr verraten fühlte und eine andere zur Frau genommen hatte. Auch, dass sie dabei gewesen war, sich kurz vor seinem Tod in Rolf, ihren gut aussehenden, allzeit hilfsbereiten Vetter, zu verlieben, hatte sie in einem Anfall von Ehrlichkeit dem aufmerksam zuhörenden Medicus nicht verschwiegen.
»Vor dem Überfall war ich mir noch sicher, dass ich Konrad finden muss, um ihm von unserem Kind zu berichten«, setzte Magdalena nach einer längeren Pause zu einer Antwort auf Johannes’ Frage an. »Über seine Ehefrau habe ich
mir gar keine Gedanken gemacht. Etwas, das ich heute nicht mehr verstehen kann, Frater. Wie sehr hätte ich Frau Renata damit gekränkt! Sie trug doch am allerwenigsten Schuld an allem. Aber das wollte ich damals nicht sehen.«
»Ihr vermochtet es nicht«, korrigierte der Mönch sie sanft. »Aber nun seht Ihr zu Recht keinen Sinn mehr darin, diesem Mann, der einer anderen angehört, hinterherzulaufen. Wenn ich Euch recht verstanden habe, Donna Magdalena, dann wollt Ihr nicht mehr in Euer Elternhaus zurück, weil Ihr wohl nicht zu Unrecht die Befürchtung hegt, dass Euer Oheim Euch mehr oder weniger als Sklavin hielte. Eigenständig wollt Ihr sein und Euch allein durch die Fährnisse des Lebens kämpfen, indem Ihr Euch den Reichen wie den Armen als Heilerin andient. Kein schlechter Gedanke! Obwohl ich sagen muss, dass die meisten Menschen Euch sagen werden, dass sich ein freies unbeaufsichtigtes Leben für ein Weib, zumal für ein so junges, nicht geziemt. Ihr werdet es nicht leicht haben.«
»Ich bin mir der Widerstände durchaus bewusst, Frater. Ich bin bereits durch eine harte Schule gegangen und habe meine sorglose Vertrauensseligkeit verloren. Die Umstände haben mich reifen lassen – weit über meine geringen Lebensjahre und meinen Stand als wohlbehütete Tochter eines wohlhabenden Bürgers hinaus. Allerdings verhehle ich Euch nicht, Frater, dass mir zuweilen angst und bange wird vor den Gefahren, die auf mich lauern mögen. Es wird viel eigene Kraft und Gottes Hilfe und Beistand nötig sein, damit ich mein Leben werde meistern können. Dazu kommt die Verantwortung für Betz, einen vierzehn Jahre alten Knaben, der sich gleichfalls der Heilkunde verschreiben will. Einfach wird es wahrlich nicht sein, denn ich kenne kaum jemanden, an den ich mich wenden könnte. Doch in Konstanz lebt ein
Vetter meines Vaters, der möglicherweise ein gutes Wort für mich einlegen und mir behilflich sein könnte, eine Bleibe zu finden. Aber ich habe ihn noch nie gesehen und weiß gar
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