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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Schneedecke nicht so dick, dass sie den Aufprall des massigen Körpers abzufedern vermochte. »Die Haut sollte man euch Affen abziehen! «
    Erschrocken und besorgt über den unerhörten Vorfall eilten die geistlichen Herren seines Gefolges und seine übrigen
Höflinge herbei. »Heiliger Vater, um Jesu Christi willen, was ist mit Euch? Wie konnte das geschehen? Habt Ihr Euch verletzt?«, riefen sie aufgeregt durcheinander.
    Einige konnten sich allerdings das Lachen kaum verkneifen: Als er versuchte, sich auf dem rutschigen Boden umzudrehen, landete er auf dem Rücken. Dabei verrutschte sein langes Wollgewand, und er reckte jetzt seine dicken, in gestrickten Strümpfen steckenden Beine strampelnd gen Himmel.
    Sein Gefolge, das – innerlich beinahe vor Gelächter berstend – die groteske Szene beobachtete, konnte anschließend guten Gewissens beschwören, dass Seine Heiligkeit keine Unterhosen trug …
    »Braucht Ihr Hilfe, Heiliger Vater?«, traute sich schließlich einer zu fragen. Woraufhin das Gesicht des dreiundzwanzigsten Johannes dunkelrot vor Wut anlief. Wollte sich der Kerl etwa über ihn lustig machen?
    »Aber keineswegs, mein Guter! Wo denkt Ihr hin? Ich liege hier im Namen des Teufels, und es gefällt mir ausgezeichnet so!«, brüllte er wutschnaubend.
    »Gottverdammte Idioten!«, hörten ihn schließlich jene murmeln, die sich endlich ein Herz fassten und zupackten, um den Papst aus seiner misslichen Lage zu befreien. Der Lakai, dessen Knöchel verrenkt war, wurde umgehend durch einen anderen Burschen ersetzt, einen, der keine »zwei linken Füße« besaß, wie Don Severino seinem Herrn versicherte. Anschließend ging die Reise ohne Zwischenfälle weiter.
    Über Feldkirch erreichten Papst Johannes und sein Gefolge schließlich Rheineck. Dort bestiegen sie ein Schiff, um sich über den See befördern zu lassen. In Kreuzlingen – übrigens bei strahlend warmem Herbstwetter – ging Seine Heiligkeit am Abend des 27. Oktober 1414 an Land. Der Vorfall mit der Sänfte war bereits vergessen. Johannes’ Laune verbesserte
sich noch weiter, als man ihm berichtete, dass die beiden anderen Anwärter auf den Stuhl Petri bislang tatsächlich fehlten und auch niemand wirklich mit ihrem Kommen rechnete.
    Der nächste Tag, der 28. Oktober, war ein Sonntag. Es herrschte immer noch wunderbares Wetter, und der Einzug des Papstes in Konstanz gestaltete sich unvergleichlich feierlich. Der Heilige Vater ritt in einem bestickten weißen Seidengewand auf einem prächtig aufgezäumten und mit einer rotgoldenen Satteldecke versehenen Schimmel in die Konzilsstadt ein. Über ihm hielten vier nebenher reitende, ehrenwerte Konstanzer Bürger einen Baldachin aus goldenem Tuch, und hinter ihm schritten neun Kardinäle in silberdurchwirkten Roben und reich bestickten Mitren.
    Otto von Hachberg, der Konstanzer Bischof, in dessen Palast der Papst Quartier nehmen würde, begrüßte den pompösen päpstlichen Zug am Kreuzlinger Tor; die Herren vom Domkapitel, die Mitglieder der Stiftskapitel von Sankt Stephan, Sankt Jakob und Sankt Paul sowie der Klerus der Stadt taten es ihm gleich.
    Hachberg war keineswegs erfreut über diese »Beschlagnahmung« seiner Gemächer, denn er liebte seine Bequemlichkeit. Aber da sein Haus das vornehmste der Stadt war, musste er es wohl oder übel dem hochrangigsten Gast während der gesamten Dauer des Konzils zur Verfügung stellen.
    Für die Bewohner von Konstanz war es ein unvergessliches Schauspiel. Sie standen am Rand des Weges, den der Papst und seine Begleitung nahmen, und staunten, teilten einander laut ihre Beobachtungen mit, schwenkten Tücher und Fähnchen und schrien mit Begeisterung: »Vivat Papa!«
    Einer der eifrigsten Jubler war Doktor Julius Zängle. Der Notar, der von den letzten Wochen ziemlich erschöpft war, hoffte, dass alles störungsfrei abliefe, dass man ihm keine
Vorwürfe machen konnte und dass das ganze Spektakel überhaupt zu einem guten Ende fände.
    »Ich hab’ getan, was ich konnte. Der Herr ist mein Zeuge, dass ich mich bemüht habe, nichts zu übersehen«, dachte er und versuchte, innerlich zur Ruhe zu kommen. Aber als kluger Mensch wusste Zängle auch, dass – wie immer – der Teufel im Detail steckte.
     
    Etwa zur gleichen Zeit machte sich auch das kleine Grüppchen, bestehend aus den drei Franziskanern, Magdalena und Betz, endlich auf den Weg in die Konzilstadt. Magdalena hatte am Ende schon gar nicht mehr daran glauben wollen, dass sie vor Einbruch des Winters noch

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