Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
Vom Netzwerk:
tröstend eine Hand auf die Schulter, ehe sie meinte:
    »Ich befürchte beinahe, Vetter, dass Ihr Euch noch auf einiges gefasst machen dürft, solange das Konzil andauert.«
    »Diese Sorge teile ich leider auch, Lena. Das Konzil hat gerade erst begonnen, und schon geht es los mit den Unstimmigkeiten. Gut, dass ich starke Nerven und einen breiten Buckel habe.«
    Zängle bemühte sich zu lächeln, aber es wurde eher eine Grimasse daraus.
    »Wie sind die Herren denn jetzt verblieben?«, erkundigte sich Magdalena neugierig. Es befremdete sie, dass hochgelehrte
Männer, die schlichteren Gemütern sogar als »heilig« galten, sich auch nicht viel anders aufführten als raufende Lausbuben oder streitsüchtige Bauern auf der Kirchweih.
    »Die Auseinandersetzung ist noch keineswegs beendet, aber die Beteiligten haben die endgültige Entscheidung erst einmal vertagt. Die Herren werden vermutlich auf eine Erleuchtung durch den Heiligen Geist warten. Wobei ich sagen muss, dass der Heilige Geist genügend anderes – und Wichtigeres – auf dem Konzil zu tun hätte, als sich um so läppischen Kinderkram zu kümmern.« Die letzten Worte Zängles klangen fast ein wenig verbittert; sein Enthusiasmus im Vorfeld wich buchstäblich Tag für Tag der Ernüchterung und der Enttäuschung darüber, dass viele seiner so penibel ausgeklügelten Pläne zum Ablauf der Großveranstaltung in der Realität fehlschlugen.
    »Ja, ja, die liebe Eitelkeit«, bemerkte Magdalena trocken, und als ihr gesetzeskundiger Vetter lachte, stimmte auch die junge Frau mit ein. Gleich darauf wurde sie wieder ernst, da auch ihr eine Sache nicht aus dem Kopf wollte:
    »Auf dem Weg zu den Franziskanern bin ich heute einem jungen Ding – fast einem Kind noch – begegnet. Die Kleine, die ich auf zwölf, höchstens dreizehn Jahre schätze, lief geschwind vor mir her; beladen war sie mit etwa einem halben Dutzend Weidenkörben, die sie, ineinandergestellt, auf dem Kopf balancierte. Ich denke, das Mädchen ist die Tochter eines Korbflechters und war auf dem Weg zum Markt, wo es die Ware verkaufen sollte.
    Was mich aber zutiefst betroffen machte, war die ungenügende und zerschlissene Kleidung des Kindes: Für diese Jahreszeit viel zu dünn! Außerdem trug die Kleine nicht einmal Schuhe. Und das, obwohl es in der Nacht schon Frost hat und auf den Berggipfeln längst Schnee liegt. Leider war das Mädchen so schnell verschwunden, dass ich es nicht einholen
konnte. Wisst Ihr vielleicht, um wen es sich handeln könnte, Vetter?«
    »So, wie Ihr mir das Kind beschreibt, kann es sich eigentlich nur um Mariechen handeln. Sein Vater, ein fleißiger Korbflechter, ist im vergangenen Winter gestorben, und die Mutter Barbara muss alleine sechs Kinder großziehen, von denen Mariechen das zweitälteste ist. Die ganze Familie übt das Flechthandwerk aus und lebt mehr schlecht als recht davon. Sogar der kleinste Bub mit vier Jahren hilft eifrig mit. Nur Mariechens fünfzehnjähriger Bruder Klaus ist ein Tunichtgut, der sich mit zweifelhaften Kameraden herumtreibt, auf die schiefe Bahn geraten ist und der Mutter viel Kummer macht.
    Der Stadtbüttel hat ihn nicht nur einmal – völlig betrunken – in Gewahrsam genommen. Barbara macht das sehr unglücklich, aber sie hat resigniert. Das Korbflechten bringt nicht viel ein, und man munkelt, dass das immer noch recht ansehnliche ›Bärbeli‹ auch noch anderes verhökert, als nur Weidenkörbe – wenn Ihr versteht.«
    So viel an Lebenserfahrung besaß Magdalena bereits, dass sie ganz genau begriff, worauf Julius anspielte. Unwillkürlich wurde sie von der Sorge gepackt, auch Mariechen könne auf die Idee kommen, »schnelles Geld auf leichte Art« verdienen zu wollen. Spontan beschloss sie, sich des armen Kindes anzunehmen.

KAPITEL 26
    FÜR DIESEN TAG, den 27. November, hatte Magdalena sich etwas Besonderes vorgenommen, das ihr schon seit einiger Zeit am Herzen lag. Es handelte sich zwar nur um eine Kleinigkeit,
aber sie war stets bestrebt, mit allen in Frieden und Eintracht zu leben.
    So hatte sie wohl bemerkt, dass Julius’ Haushälterin sich durch ihre Anwesenheit gestört fühlte. Und dass der Herr Base Lenas Mahlzeiten über den grünen Klee lobte, gefiel ihr überhaupt nicht. Zunehmend missmutiger schlurfte Berta durchs Haus, gab mürrische Antworten, klapperte besonders laut mit Töpfen und Kannen und ließ beizeiten die Türen zuknallen.
    Magdalena fasste sich ein Herz und ging tapfer auf die brummige ältere Frau zu. »Ich weiß,

Weitere Kostenlose Bücher