Das Erbe der Apothekerin - Roman
dass Ihr Euch über meine Anwesenheit im Haus meines Verwandten ärgert, Berta. Aber ich kann Euch versichern, dass ich keineswegs daran denke, Euch Euren Platz hier streitig zu machen. Die Stätte meines Wirkens ist in der Apotheke der Franziskanermönche – und so wird es auch bleiben. Ich könnte niemals Eure Arbeiten übernehmen; dazu seid Ihr viel zu erfahren und geschickt in sämtlichen Bereichen eines gutbürgerlichen Haushalts.«
»Ja? Wirklich? Meint Ihr das im Ernst?« Verlegen und geschmeichelt zugleich begann Berta beinahe zu stottern. »Ich habe schon befürchtet, der Herr könnte mich vielleicht fortschicken, weil er doch jetzt Euch hat und …«
»Davon kann überhaupt keine Rede sein, Berta! Mein Vetter wäre ein ausgemachter Narr, wenn er sich selbst der ausgezeichneten Dienste einer Frau wie Euch berauben würde. Nein, nein! Macht Euch bloß keine Gedanken mehr darüber. «
Die Haushälterin atmete befreit auf. Ihr derbes, aber gutmütiges Gesicht strahlte förmlich.
»Eine winzig kleine Bitte hätte ich allerdings an Euch, Berta.« Magdalena gedachte das Eisen zu schmieden, solange es heiß war.
»Alles, was Ihr nur wollt, Frau Lena«, beeilte sich die Ältere zu versichern.
»Erlaubt mir, hin und wieder in die Küche zu gehen und das Abendessen für Herrn Julius zuzubereiten. Das wünscht er sich doch so sehr – und mir würde es dann auch leichter fallen, seine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Mein Vetter weigert sich nämlich, sich von mir etwas bezahlen zu lassen.«
»Das wäre ja auch noch schöner«, ereiferte sich Berta sogleich. »Vom eigenen Fleisch und Blut Geld für Quartier und Verpflegung zu verlangen. Nein! So etwas macht unser Herr nicht. Aber Ihr tut recht daran, ihm gelegentlich durch eine ganz besondere Mahlzeit Euren Dank auszudrücken. Freilich könnt Ihr jederzeit über Küche, Keller und alle Vorräte frei verfügen.«
Magdalena atmete erleichtert auf: Dieses Hindernis war klug umschifft. Vermutlich hätte sich sonst auf Dauer das häusliche Zusammensein mit Berta problematisch gestaltet. Fraglos war die junge Apothekerin in den letzten Monaten erwachsen geworden. Das Unglück, das ihr widerfahren war, hatte sie innerlich reifen lassen. Auch hatte sie sich endgültig von sämtlichen kindischen Träumen verabschiedet – wozu auch die Hoffnung gehörte, Konrad trotz seiner Heirat wieder für sich zu gewinnen … Zwar musste Magdalena hin und wieder noch immer mit Wehmut an die wenigen glücklichen Tage, die ihr an Konrads Seite vergönnt waren, zurückdenken. Doch jene Zeit schien ihr auf einmal so weit weg, wie aus einem anderen Leben. Manchmal, in stillen Nachtstunden, klammerte sie sich an die Erinnerung und hätte alles darum gegeben, wieder die alte, unbeschwerte Magdalena zu sein, die voll Gottvertrauen jeden neuen Tag anbrechen sah. Wenn dann aber die ersten, kühlen Lichtstrahlen
den Morgen ankündigten, wusste sie, dass sie sich verändert hatte und dass sich das Rad der Zeit nun einmal nicht zurückdrehen ließ.
Als die junge Apothekerin auf die Straße hinaustrat – Betz hatte sie heute wegen der Unterredung mit der Haushälterin ins Kloster vorausgeschickt –, blickte sie sich erst einmal um.
Es war schon erstaunlich, wie sehr die Menschenmengen, die sich auf den Konstanzer Gassen und Plätzen herumtrieben, in kürzester Zeit angewachsen waren! Das eher beschauliche Städtchen hatte sich in wenigen Wochen in eine Weltstadt verwandelt.
Die Besucher kamen aus aller Herren Länder: Das zeigten ihre ungewöhnlichen Gewandmoden, die verschiedenen Haar- und Barttrachten und nicht zuletzt ihre unterschiedlichen Sprachen. Magdalena hatte es schon erlebt, dass sie auf der relativ kurzen Wegstrecke von der Prozessionsgasse bis zum Franziskanerkloster in der Nähe des Kreuzlinger Tores kein einziges Wort verstand, das gesprochen wurde.
Endlich rührte sich einmal etwas in ihrer verschlafenen Heimat. Die junge Frau genoss den Trubel, auch wenn er bedeutete, dass sie die doppelte Zeit für alle Besorgungen, die sie tätigte, einkalkulieren musste; in den schmalen Gassen war oft kein Durchkommen mehr. Dann hieß es, weite Umwege machen.
Am schlimmsten waren die Neuankömmlinge, die nicht genau wussten, wohin sie sich wenden sollten, um ihr Quartier zu erreichen. Hilflos standen oftmals ganze Karawanen von Mauleseln und Pferden, von Sänften, Kutschen und Berittenen auf der Straße. Die Fremden rangen die Hände und gestikulierten wild, wobei stets ein
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