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Das Erbe der Azteken

Das Erbe der Azteken

Titel: Das Erbe der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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heran. Sam ließ sich über den Bootsrand ins Wasser gleiten und verkeilte den Anker hinter einer Felszunge. Danach, wieder an Bord, rollten sie die fünfunddreißig Meter lange und zwei Zentimeter dicke geflochtene Ankerleine ab, die sie einige Zeit zuvor in Stone Town gekauft hatten. Sie schlangen sie um die hinteren Klampen an Steuerbord und Backbord und sicherten die Schlinge in der Mitte mit einem Schraubkarabiner. Das freie Seilende warfen sie am Heck über Bord. Zwei Minuten später hatten sie ihre Schnorchel angelegt, paddelten mit gleichmäßigen Flossenschlägen vom Boot weg und zogen die Leine hinter sich her.
    Zu ihrer gemeinsamen Überraschung fanden sie die Glocke noch an der gleichen Stelle, wo sie sie zurückgelassen hatten. Sie lag am Rand des Steilabfalls, jedoch war die Situation doch noch um einiges prekärer, als sie angenommen hatten. Der Sand unter dem Glockenmund erodierte vor ihren Augen, indem Steine und Sandfahnen von der Kanalströmung mitgerissen wurden.
    Remi fädelte das Ende der Leine durch den Karabiner an ihrem Tauchergürtel, dann gab sie es an Sam weiter, der das Gleiche tat und sich den Schraubkarabiner der Leine zwischen die Zähne klemmte.
    Sie stiegen zur Wasseroberfläche auf, pumpten die Lungen mit Luft voll und tauchten wieder.
    Sam gab Remi mit den Händen ein Zeichen: Fotos. Falls der schlimmste Fall eintrat und sie die Glocke verloren geben mussten, hätten sie anhand von Bildern zumindest die Möglichkeit, ihren Fund zu identifizieren. Während Remi zu fotografieren begann, schwamm Sam ein Stück weiter, bis er über den Rand des Abgrunds blicken konnte. Der Abhang fiel nicht steil senkrecht ab, sondern mit sechzig oder fünfundsechzig Grad Neigung. Nicht dass dies einen wesentlichen Unterschied machte. Wie Remi schon vorher vermutet hatte, überstieg das Gewicht dieser Glocke das der Speaker um gut zwanzig oder dreißig Pfund. Wenn die Glocke dazu neigte, endgültig über die Kante der Sandbank zu rutschen, würde der Abhang ihren Sturz nur unwesentlich abbremsen.
    Und dann, wie auf ein Stichwort, gab der Sand unter der Glocke tatsächlich nach. Die Krone stieg ruckartig hoch, verharrte für einen winzigen Moment reglos, und dann begann die Glocke mit dem Mund voraus den Steilhang hinunterzurutschen.
    Aus einem Impuls heraus – dem nachzugeben er auf der Stelle bedauerte – zog Sam die Beine an, führte einen kraftvollen Delphinschlag aus und folgte der Glocke über die Kante der Sandbank. Flüchtig hörte er noch Remis erstickten Ruf »Sam!« und dann nichts mehr – außer dem Rauschen der Meeresströmung. Sandkörner trafen seinen Körper wie Tausende von Bienenstichen. Purzelbäume schlagend stürzte Sam ab und streckte die Hände, wie er hoffte, in Richtung der Sandbank aus. Die Finger der rechten Hand stießen gegen etwas Hartes, und ein scharfer Schmerz schoss durch seinen kleinen Finger. Er ignorierte ihn und spürte, wie die Glocke schneller wurde und die Bremswirkung des Glockenmundes durch die Schwerkraft und den zunehmenden Schwung neutralisiert wurde. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, als seine Lungen die letzten Sauerstoffmoleküle verarbeiteten. Sein Herzschlag hallte im Kopf wie Kanonendonner wider.
    Ausschließlich auf seinen Tastsinn vertrauend, ließ er seine Hand über den Glockenkörper nach oben zu ihrem Kopf wandern. Seine Finger fanden die Öffnung der Krone. Mit der linken Hand nahm er den Karabiner aus dem Mund und fädelte ihn durch die Krone, hakte ihn dann in die Ankerleine und drehte mit dem Daumen den Schraubverschluss zu.
    Die Glocke stoppte mit einem Ruck. Die Leine gab ein gedämpftes Singen von sich. Sam verlor den Halt und glitt abwärts. Seine Hände wischten über den Glockenkörper, die Finger suchten hektisch nach einem Widerstand. Da war aber nichts. Dann, unvermittelt, schrammte seine Handfläche über eine Kante. Erneut schoss ein Schmerz durch seinen kleinen Finger. Der Wulstrand, dachte er. Seine gekrümmten Finger waren an dem schmalen Grat dicht über dem Glockenmund hängen geblieben. Er reckte die andere Hand hoch, packte die Kante, dann hievte er sich hoch, wehrte sich mit heftigen Beinschlägen gegen die Strömung, bis die Ankerleine als ein dünner, leuchtend weißer Streifen in den wirbelnden Sandwolken in Sicht kam. Er umfasste sie. Finger berührten seinen Handrücken. Aus der Düsternis tauchte ein Gesicht auf. Remi. Am Rand seines Gesichtsfeldes entstand jetzt ein Funkeln, das schnell nachließ und bald

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